Außergewöhnliche Belastung - Steuertipps für die Familie

Zur den außergewöhnlichen Belastungen gehören unter anderem Krankheits- und Behandlungskosten, Unterhalt, Scheidungskosten und Ausgaben für ein Pflegeheim. Sie lassen sich zum Teil steuerlich geltend machen. In dieser Rubrik stehen aktuelle und nützliche Steuer-Tipps, mit denen Sie Ihren Steuervorteil erhöhen. Im Hauptartikel lesen Sie, welche außergewöhnlichen Belastungen es gibt, welche Mindesthöhe Sie überschreiten müssen (mit Tabelle) und mit welchen legalen Tricks Sie das meiste Geld rausholen.

AKTUALISIERUNG! Ein BFH-Urteil verschafft Steuerzahlern mit einem Einkommen über 15.340 Euro eine höhere Steuererstattung! Unter bestimmten Voraussetzungen auch für Steuerbescheide vergangener Jahre.

Außergewöhnliche Belastung: Tipps, Tabelle, Selbstbeteiligung und Ausgabe-Arten

Wer schwer zu schleppen hat, den entlastet das deutsche Steuerrecht.

Mit den außergewöhnlichen Belastungen (agB, § 33 EStG) werden im deutschen Steuerrecht Härtefälle abgefedert. Zum Beispiel weil Sie hohe Krankheitskosten, Unterhalt oder Pflegekosten für sich oder ein Familienmitglied zu tragen haben. Diese Kosten lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen zum Teil in der Steuererklärung geltend machen. Dahinter steht der Gerechtigkeits-Grundsatz, dass die Menschen in Deutschland nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden sollen.

In diesem Artikel lesen Sie, wie Sie mit außergewöhnlichen Belastungen die meisten Steuern sparen und von der neuen Berechnung des Eigenanteils profitieren, welche Aufwendungen das Finanzamt anerkennt und welche Voraussetzungen Sie einhalten müssen. Unter dem Text finden Sie eine Liste unserer gesammelten Steuer-Artikel zum Thema.

Steuervorteil berechnen: Was bringen mir außergewöhnliche Belastungen überhaupt?

Sie möchten schon mal konkrete Zahlen wissen, bevor Sie den Text weiterlesen? Der folgende Rechner ermittelt für Sie, wie viel Steuern Sie mit außergewöhnlichen Belastungen sparen (JavaScript erforderlich):

Hier sind weitere Erklärungen zum agB-Rechner.

Voraussetzungen für außergewöhnliche Belastungen

Bei den außergewöhnlichen Belastungen handelt es sich um private Ausgaben, an denen Sie das Finanzamt beteiligen können. Dafür gelten folgende Voraussetzungen. Die Kosten waren:

  • außergewöhnlich,
  • zwangsläufig entstanden,
  • notwendig,
  • angemessen,
  • von Ihnen selbst getragen,
  • eine finanzielle Belastung für Sie und
  • keine Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben.

Manchmal amtsärztliches Attest notwendig

Oft verlangt das Finanzamt zur Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen ein amtsärztliches Attest oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 64 EStDV).

Tipp: Besprechen Sie dies rechtzeitig mit Ihrem behandelnden Arzt.

Geringere Selbstbeteiligung bei außergewöhnlichen Belastungen seit 2017

Außergewöhnliche Belastungen bringen nur dann eine Steuerersparnis, wenn sie die so genannte zumutbare Belastung übersteigen. Dieser Eigenanteil hängt von Ihrem Einkommen, Familienstand und Kinderzahl ab. Die Mühe lohnt sich also nur, wenn die gesamten außergewöhnlichen Belastungen in einem Jahr sehr hoch sind. Achtung! Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Berechnung des Eigenanteils verändert.Die angenehme Folge: ein geringerer Eigenanteil. Nutzen Sie dies!

Neue Rechenmethode beschert Ihnen geringere Selbstbeteiligung

Das oberste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof (BFH), hat 2017 mit einem Urteil eine neue  Berechnungsweise für die zumutbare Belastung vorgegeben.  Der Grund: Nach dem Wortlaut des maßgebenden Paragraphen, § 33 Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), wurde bislang falsch gerechnet. Nun wird nur noch der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den jeweiligen Stufengrenzbetrag übersteigt mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet. Für den jeweiligen Stufengrenzbetrag (3 Bereiche) wird also die entsprechende zumutbare Belastung ermittelt und addiert. Damit sind Steuerzahler, die mehr als 15.340 Euro verdienen, besser gestellt.

Ihr zumutbarer Eigenanteil bei außergewöhnlichen Belastungen beträgt so viel Prozent Ihres Einkommens:

Familien­stand Jahreseinkünfte in Euro
unter 15.340 unter 51.130 über 51.130
Ledige 5 Prozent 6 Prozent 7 Prozent
Verheiratete 4 Prozent 5 Prozent 6 Prozent
mit 1 oder 2 Kindern 2 Prozent 3 Prozent 4 Prozent
mit mehr als 2 Kindern 1 Prozent 1 Prozent 2 Prozent
Stand: Mai 2019

Beispiel: Ein Ehepaar mit 2 Kindern und 100.000 Euro Jahreseinkommen hat im Jahr 6.000 Euro für Arzt und Medikamente gezahlt. Nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung  berechnen sich die außergewöhnlichen Belastungen folgendermaßen: (2 Prozent von 15.340 Euro + 3 Prozent von (51.130 Euro - 15.340 Euro) + 4 Prozent von (100.000 Euro - 51.130 Euro) = 3.335,30 Euro muss die Familie als zumutbare Belastung aus der eigenen Tasche bezahlen. 2.664,70 Euro (6.000 € - 3335,30 €) darf sie in ihrer Einkommensteuererklärung steuermindernd absetzen. Die Familie hat nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung  (Aktenzeichen: VI R 75/14 vom 29.3.2017) einen um 664,70 Euro geringeren Eigenanteil zu tragen.

Zumutbare Belastung berechnen: Wie hoch Ihr persönlicher Eigenanteil ist, ermitteln Sie mit dem gesonderten Rechner "Zumutbare Belastung". Er berücksichtigt Einkommen und Familienstand aus obiger Tabelle. Das Ergebnis dieses Rechners ist schon als Teilrechnung im oben eingeblendeten Rechner zur außergewöhnlichen Belastung enthalten. Sie brauchen ihn nicht zwingend, er kann Ihnen aber beim Umsetzen des folgenden Steuertricks helfen.

So machen Sie außergewöhnliche Belastungen rückwirkend geltend und profitieren von der neuen Berechnungsmethode

Wenn Sie in den vergangenen Jahren in Ihren Einkommensteuererklärungen außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht haben, können Sie sich freuen. Denn: Wenn Ihre Steuerbescheide den Vorläufigkeitsvermerk „Abzug einer zumutbaren Belastung (§ 33 Absatz 3 EStG) bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung“ enthalten (siehe Erklärungen am Ende Ihres Steuerbescheids), dann berechnet das Finanzamt automatisch die ansetzbaren außergewöhnlichen Belastungen nach den jetzt günstigeren Regelungen neu und Sie erhalten einen entsprechenden Änderungsbescheid. Und letztendlich eine nachträgliche Steuererstattung.

Der Vorläufigkeitsvermerk wurde ab Ende August 2013 in die Einkommensteuerbescheide (auch für Änderungsbescheide) aufgenommen. Alle Fälle mit Vorläufigkeitsvermerk werden momentan automatisch von den Finanzbehörden erneut durchgerechnet. so dass viele Steuerzahler sich über einen Änderungsbescheid und eine Steuererstattung freuen können.

Vorteil der Neuberechnung: Das Finanzamt wendet die Regelung ohne weitere Prüfung zu Gunsten der Steuerzahler an und unterstellt, dass es sich bei den geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen um Krankheits- und Pflegekosten handelt.

Wenn Sie bisher keine außergewöhnlichen Belastungen in Ihrer Steuererklärung geltend gemacht haben, weil diese sich wegen der bisherigen zumutbaren Eigenbelastung nicht ausgewirkt hätten, muss man zwei Fälle unterscheiden:

Fall 1: Ihr Steuerbescheid enthält den o.g. Vorläufigkeitsvermerk? In diesem Fall reichen Sie Ihrem Finanzamt die notwendigen Belege nach und stellen einen Antrag auf Änderung Ihres Steuerbescheids nach § 165 Abs. 2 AO. Dann erkennt das Finanzamt die Ausgaben unter Anwendung der neuen günstigeren zumutbaren Eigenbelastung an.

Fall 2: Wenn Ihr Steuerbescheid dagegen den Vorläufigkeitsvermerk nicht enthält, kann die neue Berechnungsmethode nur angewandt werden, wenn Sie gegen den damaligen Steuerbescheid Einspruch eingelegt haben und das Einspruchsverfahren noch läuft. Jetzt können Sie im Einspruchsverfahren zusätzlich beantragen, dass die neue günstigere Berechnungsmethode für die außergewöhnlichen Belastungen angewandt werden soll.

In allen anderen Fällen gehen Sie dagegen leider leer aus. Selbst wenn Sie die Belege jetzt erstmals präsentieren, wird das Finanzamt den Steuerbescheid nicht mehr ändern, da diese neuen Tatsachen nicht rechtserheblich sind. D.h. nach der damaligen Rechtsansicht hätte das Finanzamt Ihre Ausgaben nicht anerkannt und dies ist die Voraussetzung für eine Änderung.

 

Steuer-Trick: Sparen Sie bei außergewöhnlichen Belastungen das meiste Geld

Steuer-Tipp 1: Ziehen Sie viele Kosten ins selbe Jahr. Wenn Sie jedes Jahr "nur" mittelhohe Behandlungskosten haben, dann überschreiten Sie die Eigenanteilsgrenze womöglich nie oder nur minimal. Trotz der neuen Berechnungsmethode für den Eigenanteil aufgrund der aktuellen BFH-Rechtsprechung. Sie bleiben auf sämtlichen oder zumindest den meisten Ausgaben sitzen. Wenn Sie jedoch die Möglichkeit haben und wenn keine gesundheitlichen oder moralischen Gründe dagegen sprechen, dann bündeln Sie Ihre außergewöhnlichen Belastungen in einem Jahr.

Übertrieben ausgedrücktes Beispiel: Lassen Sie sich lieber im selben Jahr die Augen lasern, neue Zähne einpflanzen und Ihre Alkoholsucht behandeln, lassen Sie sich künstlich befruchten und im Anschluss von Ihrem Partner scheiden. Schicken Sie Opa ins Pflegeheim und kaufen Sie ihm ein Hörgerät. Finanzieren Sie Ihrem Töchterchen eine Studentenbude direkt neben Opas Heim, damit sich sein Hörgerät auch lohnt. Alle Ausgaben im selben Jahr. Auf diese Weise verkürzen Sie nicht nur Ihren Stress, sondern auch Ihre Steuerlast.

Steuer-Tipp 2: Sparen Sie Geld, nicht Steuern. Wenn Sie Krankheitskosten über außergewöhnliche Belastungen geltend machen, ist das immer nur ein minderwertiger Weg, um Geld zu sparen. Zum einen wegen des Eigenanteils, zum anderen weil sich jeder Endbetrag nur in Höhe Ihres persönlichen Einkommensteuersatzes auswirkt, niemals voll. Finanziell sinnvoller ist es daher, wenn diese Kosten gar nicht erst entstehen oder wenn ein Dritter die Kosten übernimmt. Konkret:

Liste von außergewöhnlichen Belastungen

Das Finanzamt beteiligt sich an folgenden außergewöhnlichen Belastungen. Diese "Fürsorge" ergibt sich entweder aus einem Gesetz oder einem Gerichtsurteil:

Wie Sie außergewöhnliche Belastungen geltend machen

Außergewöhnliche Belastungen sind auf der letzten Seite des Mantelbogens der Steuererklärung einzutragen. Es wirkt sich nur der Betrag steuerlich aus, der die Eigenbelastung übersteigt. Auf diesem Eigenanteil bleiben Sie also - wie der Name schon sagt - komplett alleine sitzen. Allerdings, aufgrund der neuen Berechnungsmethode, ist Ihr Eigenanteil kleiner geworden - bei Einkommen über 15.340 Euro.

Wichtig: Sie dürfen nur solche Kosten als außergewöhnliche Belastungen geltend machen, die keine Krankenkasse oder private Versicherung übernommen hat. Sie müssen also zunächst Erstattungen und sonstige Zuschüsse abziehen. Denn unter die außergewöhnlichen Belastungen fallen nur Kosten, die Ihnen wirklich entstanden sind.

Zudem verlangt das Finanzamt stets eine ärztliche Verordnung und bei manchen Kosten vor Antritt ein amtsärztliches Attest, zum Beispiel bei Kuren.

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