Außergewöhnliche Belastungen ohne Zuzahlung?

vom 04. Juli 2014 (aktualisiert am 10. Februar 2016)
Von: Lutz Schumann

Aktualisierung vom 10. Februar 2016: Die zumutbare Selbstbeteiligung bei den außergewöhnlichen Belastungen ist rechtens, entschied der Bundesfinanzhof (BFH, Aktenzeichen: VI R 32/13 und VI R 33/13). Damit ist die Hoffnung zunichte, dass Steuerzahler ihre Krankheitskosten voll geltend machen dürften, also schon bei niedrigen Beträgen. Stattdessen müssen sie einen Eigenanteil leisten, der von ihrem Einkommen und Familienstand abhängt. Die vorsorglichen Tipps aus diesem Artikel sind hinfällig. Lesen Sie hier, wie Sie dennoch mit außergewöhnlichen Belastungen möglichst viel Steuern sparen.

Der Eigenanteil bei Krankheitskosten, Zahnersatz, Pflege und anderen außergewöhnlichen Belastungen könnte bald wegfallen. In diesem Fall würden Sie noch mehr Steuern sparen als bisher. Aber nur, wenn Sie jetzt richtig handeln - auch für abgelaufene Steuerjahre. Hier lesen Sie, was zu tun ist.

Derzeit läuft ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) über die Frage, ob die so genannte zumutbare Belastung bei den außergewöhnlichen Belastungen verfassungsmäßig ist (Aktenzeichen: VI R 32/13 und VI R 33/13). Diese Selbstbeteiligung ist eine Mindesthürde: Nur wenn Sie sie überschreiten, sparen Sie mit dem darüber liegenden Betrag Steuern. Die Höhe der zumutbaren Belastung hängt von Ihrem Einkommen und Familienstand ab (hier ist ein Online-Rechner).

Wenn Sie jedes Jahr "zu viel" Geld verdienen oder zu wenig für außergewöhnliche Belastungen ausgeben, bleiben Sie stets unter der Mindestgrenze und damit auf Ihren Kosten sitzen. Viele Steuerzahler sammeln deshalb gar nicht erst ihre Belege, weil sie ohnehin nicht damit rechnen, die zumutbare Eigenbeteiligung zu überschreiten. Dies würde sich mit einem steuerzahlerfreundlichen BFH-Urteil ändern: Jeder Euro für Medikamente, Pflegekosten, Zuzahlungen zum Zahnarzt, zur Augen-OP oder zur neue Brille wirkte sich dann steuerlich voll aus.

Was Sie jetzt tun müssen, um einen Erfolg vorm BFH für sich zu nutzen

Es lohnt sich daher, vorsorglich sämtliche Belege zu sammeln und ab dem ersten Euro in der Einkommensteuererklärung geltend zu machen. Sowohl zukünftig als auch nachträglich in allen noch offenen Steuerjahren. Lesen Sie hier in unserer ausführlichen Liste, welche Kosten Sie als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend machen dürfen.

In vielen Fällen benötigen Sie ein vor Behandlungsbeginn ausgestelltes Attest eines Amtsarztes, zum Beispiel bei Kuren. Ohne Attest laufen Sie Gefahr, dass das Finanzamt daran zweifelt, dass Ihre Behandlung medizinisch notwendig war.

Wenn Sie in vergangenen Steuerjahren keine außergewöhnlichen Belastungen geltend gemacht haben, können Sie diese möglicherweise nachreichen. Das ist in folgenden Fällen erlaubt:

  • Sie haben für das betreffende Jahr keine Steuererklärung abgegeben. Sie dürfen für die zurückliegenden 4 Jahre eine Einkommensteuererklärung einreichen, im Jahr 2014 also zurück bis zum Steuerjahr 2010.
  • Sie haben zwar eine Steuererklärung erstellt, aber noch keinen Steuerbescheid erhalten. In diesem Fall genügt ein formloses Schreiben, in dem Sie die außergewöhnlichen Belastungen einzeln aufführen und um nachträgliche Berücksichtigung in der beretis abgegebenen Steuererklärung bitten. Fügen Sie die Belege bei.
  • Sie haben Ihren Steuerbescheid erhalten, befinden sich aber noch innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist. Legen Sie Einspruch wegen vergessener Kosten ein oder beantragen Sie eine schlichte Änderung. Erklären Sie Ihre außergewöhnlichen Belastungen nach.
  • Ihre Einspruchsfrist ist abgelaufen, aber Ihr Steuerbescheid ist im Punkt "außergewöhnliche Belastungen" noch offen. Zum Beispiel wegen eines Vorläufigkeitsvermerks oder des Vorbehalts der Nachprüfung (VdN). Hier reicht ebenfalls ein formloses Schreiben, in dem Sie auf den Vorläufigkeitsvermerk oder den VdN hinweisen.

Warum Sie automatisch von einem positiven BFH-Urteil profitieren

Um einer Flut von Einsprüchen vorzubeugen, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) die Finanzämter angewiesen, ab September 2013 Steuerbescheide mit außergewöhnlichen Belastungen nur noch vorläufig zu erlassen (Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 AO).

Wenn Sie seit diesem Zeitpunkt außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht haben oder derzeit eine ältere Steuererklärung erstellen, profitieren Sie von der Vorläufigkeit. Sie müssen für diesen Punkt keinen eigenen Einspruch gegen Ihren Steuerbescheid einlegen. Ein etwaiges positives BFH-Urteil gilt automatisch auch für Sie.

Warum die Selbstbeteiligung für außergewöhnliche Belastungen gegen die Verfassung verstoßen könnte

Der Grund für die anstehende Entscheidung des obersten deutschen Finanzgerichts: Bezieher von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II erhalten medizinische Leistungen ohne eigene Zuzahlungen. Damit werden sie besser gestellt als "leistungsfähige" Bürger. Rechts- und Steuerexperten halten das für verfassungswidrig. Deshalb sollten leistungsfähige Steuerzahler ihre vergleichbaren Aufwendungen ab dem ersten Euro abziehen dürfen, also ohne einen Eigenanteil.

Mit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist im Jahr 2014 zu rechnen.

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