11.05.2021

Mindert die Übernahme einer Instandhaltungsrückstellung die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer?

Von ECOVIS-Steuerberater  Peter Kollenbroich und Steuerassistent Felix Medler B.Sc.

Mit seinem Urteil vom 16. September 2020 (Az. II R 49/17) hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem Abzug einer im Rahmen eines Immobilienkaufs übernommenen Instandhaltungsrückstellung von der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage nach § 8 Absatz 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) in Verbindung mit § 9 Absatz 1 Nr. 1 GrEStG eine klare Absage erteilt. Die Entscheidung steht der bisherigen Verwaltungsausübung entgegen. In unserem Beitrag geht es um die Themen Instandhaltungsrückstellungen und Grunderwerbsteuer. Konkret möchten wir für Sie die Frage beantworten, ob die Übernahme einer Instandhaltungsrückstellung die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer mindert.

Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer

Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Absatz 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt als Gegenleistung insbesondere der Kaufpreis einschließlich der von Käuferinnen oder Käufern übernommenen sonstigen Leistungen und der den Verkäuferinnen und Verkäufern vorbehaltenen Nutzungen. Je nach Bundesland variiert der darauf anzuwendende Grunderwerbsteuersatz zwischen 3,5 und 6,5 Prozent.

Der Sachverhalt

Die Klägerin erwarb mittels notariellem Kaufvertrag im Jahr 2016 Sondereigentum an vier Gewerbeeinheiten sowie neun Tiefgaragenstellplätzen in Verbindung mit den Miteigentumsanteilen an dem gemeinschaftlichen Eigentum. Der Kaufpreis betrug insgesamt 40.000 Euro. Laut Kaufvertrag war vereinbart, dass der Anteil des Verkäufers beziehungsweise der Verkäuferin an den gemeinschaftlichen Geldern mit Besitzübergang auf die Käuferin übergeht. Das betraf unter anderem Vorschüsse und Instandhaltungsrücklagen.

Das zuständige Finanzamt bezog im Rahmen der Festsetzung der Grunderwerbsteuer den gesamten Kaufpreis in Höhe von 40.000 Euro in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage mit ein. Grundlage war § 8 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.  Demnach wurde keine Kürzung um den anteiligen Wert der Instandhaltungsrücklage vorgenommen.

Die Streitfrage

Mit Ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, dass die Bemessungsgrundlage um die Instandhaltungsrücklage in Höhe von etwa 15.000 Euro zu kürzen gewesen sei. Bei anschließender Aufteilung des um die Instandhaltungsrücklage geminderten Kaufpreises auf die 13 Kaufobjekte würden die Einzelkaufpreise hierdurch unterhalb der Wertgrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG in Höhe von 2.500 Euro liegen. Im Ergebnis würde für den Fall eines Urteils keine Grunderwerbsteuer festgesetzt werden. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht Köln wies die Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2017 ab. Daraufhin beantragte die Klägerin Revision.

Bemessungsgrundlage für Grunderwerbsteuer und Instandhaltungsrückstellungen – Entscheidung des Bundesfinanzhofs

Mit Urteil vom 16. September 2020 (Az. II R 49/17) hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Nach Ansicht der Richter:innen sind sämtliche Leistungen der Käuferin, welche nach den vertraglichen Vereinbarungen zu gewähren sind, um das Grundstück zu erwerben, in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Eine Aufteilung des Kaufpreises sei nur in den Fällen geboten, in denen der Kaufvertrag Gegenstände umfasst, deren Erwerb nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt.

Die anteilige Instandhaltungsrückstellung ist laut Gericht jedoch stets als Teil des Verwaltungsvermögens der Wohnungseigentümergemeinschaft zu verstehen. Die Instandhaltungsrückstellung gehe im Falle eines Eigentümerwechsels nicht auf die Erwerber:innen über, sondern gehöre weiterhin zum Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemein-schaft. Ein für die Grunderwerbsteuer typischer Rechtsträgerwechsel findet nach Ansicht des BFH bezüglich der Instandhaltungsrückstellung somit nicht statt. Deshalb kann es sich bei dem Entgelt für die Instandhaltungs-rückstellung auch nicht um Aufwand für die Übertragung einer unter das Grunderwerbsteuergesetz fallenden Rechtsposition handeln.

Bemessungsgrundlage für Grunderwerbsteuer und Instandhaltungsrückstellungen – keine Kürzung der Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage

Auch in dem Fall, dass die Vertragsparteien vereinbaren, dass ein Teil des Kaufpreises für die Übernahme des in der Instandhaltungsrückstellung angesammelten Guthabens geleistet werden soll, handelt es sich nicht um Aufwand für die Übertragung einer geldwerten nicht unter den Grundstücksbegriff des Grunderwerbsteuergesetzes fallenden Vermögensposition. Eine Kürzung der Grunderwerbsteuerbemessungsgrundlage sei deshalb zu versagen.

Unsere Einschätzung

Der BFH hat entschieden, dass die Instandhaltungsrückstellung grundsätzlich nicht von der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer abgezogen werden darf. Darauf hat die Finanzverwaltung reagiert und beschlossen, die Entscheidung des BFH in das Bundessteuerblatt Teil II aufzunehmen. Hieraus folgt, dass die Grundsätze des Urteils beim Erwerb von Teileigentum und Wohnungseigentum zukünftig anzuwenden sind.

Im Unterschied zur Instandhaltungsrückstellung sind im Rahmen eines Immobilienkaufs übernommenes Inventar (Einbauküche, Möbel etc.) sowie übernommene Betriebsvorrichtungen (Hebebühne, Photovoltaikanlage etc.) nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. In diesen Fällen sollten Sie als Käufer:in deshalb zwingend eine separate Aufteilung im Kaufvertrag vornehmen.

Ferner sehen wir Handlungsmöglichkeiten, um auch die grunderwerbsteuerliche Anrechnung der Instandhaltungsrücklage unter Umständen zu minimieren. Das gilt besonders bei einem größeren Portfolioerwerb von Wohn- oder Teileigentumseinheiten.

Da die Grunderwerbsteuer immer nur ein Puzzlestein beim Erwerb von Wohn- und Teileigentum sowie Grundvermögen allgemein ist, empfehlen wir, solche An- wie Verkaufsgeschäfte immer steuerlich prüfen zu lassen.