Pendlerpauschale: BFH erleichtert Umweg zur Arbeit

vom 15. Februar 2012 (aktualisiert am 14. Juli 2014)
Von: Lutz Schumann

Die Finanzämter müssen auch solche Umwegfahrten steuerlich anerkennen, die nur wenig Zeit sparen, entschied der Bundesfinanzhof (BFH, Aktenzeichen: VI R 19/11 und VI R 46/10). Bislang war pro Fahrt eine Zeitersparnis von 20 bis 30 Minutenn erforderlich, um einen kilometermäßigen Umweg zu rechtfertigen. Jetzt muss jeder Einzelfall für sich geprüft werden. Die 20-Minuten-Grenze einiger Finanzgerichte ist vom Tisch. Auch andere Umstände können eine Rolle spielen.

Dieses Urteil hilft vor allem Berufspendlern, die jeden Tag einen Umweg zur Arbeit fahren, um Zeit zu sparen. Grundsätzlich dürfen sie nur die kürzeste Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz in ihrer Steuererklärung geltend machen. Umwege sind erlaubt, wenn sie "offensichtlich verkehrsgünstiger" sind. Was unter dieser Voraussetzung zu verstehen ist, hat der BFH jetzt gelockert.

Wie viel Geld spare ich durch die Lockerung des BFH?

Angenommen Sie haben zwei Möglichkeiten, zur Arbeit zu kommen:

  • Route A: 22 Kilometer, 20 Minuten, Autobahn
  • Route B: 14 Kilometer, 25 Minuten, Innenstadt, viele Ampeln

Route A ist also 8 Kilometer länger, aber 5 Minuten schneller und besser planbar. Pro Tag sparen Sie durch die schnellere Route 10 Minuten. Auf jährlich ca. 230 Arbeitstage hochgerechnet, sparen Sie eine komplette Arbeitswoche an Zeit.

Nach alter Rechtslage hat Ihr Finanzamt sich höchstwahrscheinliche geweigert, die schnellere, aber längere Strecke anzusetzen. Jetzt sollten Sie es erneut versuchen und bei Bedarf auf das BFH-Urteil verweisen.

So viel Geld sparen Sie:

Posten Betrag
Täglicher Unterschied (einfache Strecke, also nicht Hin- und Rückfahrt) 8 Kilometer
Jährlicher Gesamtunterschied bei 230 Arbeitstagen 1.840 Kilometer
Anrechenbare Pendlerpauschale (0,30 Euro pro Kilometer) 552 Euro
Steuervorteil bei beispielhaften persönlichen Steuersätzen zwischen 20 und 40 Prozent (grob vereinfacht und ohne Solidaritätszuschlag oder Kirchensteuer) 110 bis 220 Euro

Ergebnis: In diesem Beispielfall sparen Sie jährlich über 100 Euro, je nach persönlichen Umständen.

Gründe für den Umweg

Mit Argumenten wie den folgenden haben Sie gute Aussichten, Ihren Sachbearbeiter im Finanzamt zu überzeugen:

  • Die längere Strecke (Umgehungsstraße, Autobahn) bringt Ihnen einen Zeitvorteil von mehr als 10 Prozent der Gesamtfahrzeit. Bei weniger als 10 Prozent sollten noch andere Gründe für die Umwegstrecke sprechen. Die BFH-Richter stellten diese Grenze in ihrem Urteil zwar nur in einem Nebensatz auf. Die Finanzämter werden sich aber darauf stürzen, wann immer möglich.
  • Auf der längeren Strecke sind die Ampeln so gut geschaltet ("grüne Welle"), dass Sie viel Zeit sparen.
  • Es kommt nicht auf die bestmögliche Fahrtzeit an, sondern auf den Durchschnitt. Beispiel: Auf der kilometermäßig kürzeren Strecke liegen viele schlecht geschaltete Ampeln oder ein Bahnübergang. Mit viel Glück und perfektem Verkehrsfluss wäre das der schnellste Weg zur Arbeit. Doch in der Praxis stehen Sie oft so lange, dass der Umweg durchschnittlich 10 Minuten schneller ist.
  • Die scheinbar optimale Strecke führt über einen Kreisverkehr oder eine Kreuzung ohne Ampel. Im Berufsverkehr ist das Abbiegen nahezu unmöglich. Routenplaner kennen diese praktischen Probleme möglicherweise nicht und geben dem Finanzbeamten bei seiner Prüfung ein falsches Ergebnis aus.

Zeitlich begrenze Gründe:

  • Wegen einer Langzeit-Baustelle ist stets mit Stau zu rechnen.
  • Im Winter ist die Strecke häufig glatt und wird nicht gestreut oder geräumt.
  • Während der Schulferien sind bestimmte Autobahnen besonders stauanfällig und Umwege während dieser Zeit plausibel.
  • Im Herbst sind auf vielen Straßen in ländlichen Gebieten langsame Erntefahrzeuge unterwegs.

Pendler dürfen nur die Kosten für Strecken ansetzen, die sie tatsächlich gefahren sind.

Wie mache ich meinen Umweg geltend?

1. Wenn Sie einen begründbaren Umweg zur Arbeit fahren, geben Sie die Kilometerzahl der Umwegstrecke in Ihrer Steuererklärung an. Die Finanzbeamten prüfen die Kilometer stichprobenartig. Daher kann es sinnvoll sein, Ihre Abweichung schon in der Steuererklärung zu begründen, sodass Sie unnötige Briefwechsel vermeiden. Andererseits machen Sie den Beamten dadurch auf die Abweichung aufmerksam.

Steuer-Tipp: Je besser Ihre Begründung ist, desto eher sollten Sie sie von Anfang an angeben.

So weisen Sie das Finanzamt auf die Begründung hin: Tragen Sie die Kilometerzahl in das dafür vorgesehene Feld ein in der Anlage N ein. Davor schreiben Sie: "siehe Anlage xy". Fügen Sie Ihrer Steuererklärung ein Blatt mit der Überschrift "Anlage xy" und der Begründung für den Umweg hinzu.

2. Wenn der Umweg zeitlich begrenzt war, müssen Sie eine gesonderte Liste für Ihre Steuererklärung aufstellen. Darin rechnen Sie vor: "Vom 1. Januar bis 18. Februar: 30 Kilometer; Umwegfahrt, weil Hauptstrecke wegen Glatteis nicht befahrbar. Vom 19. Februar bis 22. August: 19 Kilometer; Hauptstrecke. Vom ... etc."

In der Anlage N lassen Sie das Feld für die Entfernungskilometer offen und verweisen auf die Anlage mit der ausführlichen Liste und der Begründung Ihrer Umwegfahrten. Für den Hinweis auf die Anlage können Sie zum Beispiel eine der 4 Zeilen zweckentfremden, die für die regelmäßigen Arbeitsstätten vorgesehen sind.

3. Prüfen Sie Ihren Steuerbescheid, ob das Finanzamt Ihre Angaben übernommen hat. Hat der Sachbearbeiter die Kilometer für Ihre Fahrten zur Arbeit gekürzt? Legen Sie Einspruch gegen den Steuerbescheid ein, begründen Sie Ihren Umweg und verweisen Sie auf die BFH-Urteile mit den Aktenzeichen VI R 19/11 und VI R 46/10.

4. Auch wenn das Finanzamt Ihre Angaben übernommen hat, bewahren Sie Ihre Begründungen und Belege für die Umwegfahrten auf. Warum, steht in der Steuer-Falle ein paar Absätze weiter.

5. Wenn Ihr Finanzamt schon in vergangenen Steuerjahren Ihren Umweg abgelehnt hat, prüfen Sie, ob die betroffenen Bescheide noch offen sind und ob Sie gegen die Ablehnung vorgehen können.

6. Haben Sie in den vergangenen Jahren keine Steuererklärung abgegeben, weil die kürzeste Strecke zwischen Wohnung und Arbeit zu gering war, um die Werbungskostenpauschale zu überschreiten? Kämen Sie mit Ihren Umwegfahrten auf eine nennenswerte Pendlerpauschale? Dann prüfen Sie, ob es sich für Sie lohnt, Steuererklärungen nachzureichen. Dies ist für die 4 zurückliegenden Steuerjahre möglich.

Steuerfalle: Finanzamt will Belege noch nach 10 Jahren sehen

Bewahren Sie Ihre Begründungen und Belege für die Umwegfahrten auf. Vor allen Dingen, wenn Sie wegen einer Baustelle nur vorübergehend zum Umweg gezwungen waren. Als Beleg könnte sich der Ausdruck eines Routenplaners eignen, auf dem die alternativen Strecken dargestellt sind. Auch Fotos, Stauberichte oder Baustellenankündigungen können hilfreich sein.

Warum ist diese Vorgehensweise wichtig? Es könnte sein, dass das Finanzamt erst Jahre später die Abweichung zwischen Ihrer Strecke und der kürzesten Strecke feststellt und Ihnen eine böse Absicht unterstellt. Was dann passiert, zeigte kürzlich der Fall einer Steuerhinterzieherin, die auf ihre 10 tatsächlichen Entfernungskilometer 18 erfundene Kilometer aufgeschlagen hatte:

  • Das Finanzamt unterstellt Ihnen schlimmstenfalls eine Steuerstraftat,
  • es "berichtigt" die Abweichung, durchaus 5 Jahre, in schweren Fällen bis zu 10 Jahre zurück,
  • es fordert Steuern und sogar Geldstrafen für die betroffenen Jahre,
  • es hängt Ihnen ein Strafverfahren an.

Steuer-Tipp: Heben Sie Beweise und Argumente auf, egal wie unwichtig sie Ihnen erscheinen mögen.

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