Interna aus der Finanzverwaltung - Die 'geheimen' Infoquellen des Fiskus

vom 25. Januar 2010 (aktualisiert am 13. März 2019)
Von: Lutz Schumann

Wir leben in einer Informationsgesellschaft, in der Informationen bares Geld wert sind. Das weiß auch die Finanzverwaltung und versucht, möglichst viele Informationsquellen über ihre "Kunden" anzuzapfen. Zumal Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zum großen Halali auf alle Steuersünder geblasen hat und ständig nach neuen Möglichkeiten sucht, um die angeblich reichlich vorhandenen Schwarzgeldreserven der Deutschen abzuschöpfen. Gründe genug, sich vor dem Daten-Zugriff der Finanzämter und Steuerfahnder zu schützen. Lesen Sie hier, über welche Informationsquellen die Finanzverwaltung verfügt.

Informationsquelle 1: Sie selbst

Alle Steuerzahler sind gegenüber dem Fiskus zur Auskunft verpflichtet, wenn es um ihr Einkommen geht. Dabei muss die Finanzverwaltung folgende Bedingungen erfüllen:

Auskünfte müssen

  • erforderlich,
  • verhältnismäßig,
  • erfüllbar und
  • zumutbar sein.

Kleiner Pferdefuß: Die Finanzbeamten haben einen großen Ermessensspielraum. Bei besonderen Anfragen des Finanzamts, wie beispielsweise die vor einigen Monaten gestartete Fragebogenaktion an Besitzer spanischer Ferienimmobilien, sollte der Betroffene in jedem Fall seinen Steuerberater oder Steueranwalt einschalten. Wer solche Fragen ohne fachliche Hilfe beantwortet, schießt schnell ein Eigentor.

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Informationsquelle 2: Andere Personen

Dieter Ondracek, Chef der Gewerkschaft der Finanzbeamten, sagt, dass anonyme Hinweise in der Finanzverwaltung einen hohen Stellenwert hätten. In einem Fünftel aller Steuerfahndungsfälle stammten die Informationen von einem Dritten. "Fast immer wissen Familienangehörige oder leitende Angestellte zumindest von einem Teil der Tricksereien", sagt Ondracek. Die Motive für eine Anzeige seien dann: "Erbstreitigkeiten, enttäuschte Liebe, gekündigte Arbeitsverhältnisse oder einfach nur Neid". Besonders nach Wochenenden, Feiertagen und Schulferien bekommen die Finanzbeamten viel Post und viele Anrufe: alles Folgen ordentlicher Hauskräche.

Außerdem stellen die Finanzbeamten eine steigende Qualität der Informationen fest. Früher gab es oft nicht mehr als vage schriftliche Hinweise wie "Sehr geehrtes Finanzamt, schauen Sie sich doch mal die Druckerei Meier an, dort wird schwarzgearbeitet." Heute im Zeitalter von Computern, Internet und Online-Banking landen immer öfter Dateien mit der detaillierten Buchführung einer Firma oder der privaten Vermögensverwaltung des Unternehmers beim Fiskus. Ein Finanzbeamter berichtete gegenüber dem Steuer-Schutzbrief sogar von dem Beispiel eines entlassenen Mitarbeiters eines Unternehmens, der vor dem Ausklang seines Arbeitsverhältnisses nicht nur die offizielle, sondern auch die inoffizielle Bilanz ans Finanzamt geschickt hatte. Gekennzeichnet mit den Worten "Das ist die Bilanz fürs Finanzamt. Und das ist die echte Bilanz."

Der Fiskus weiß die neue Auskunftsbereitschaft sehr wohl zu nutzen. In allen größeren Finanzämtern gibt es inzwischen Bereitschaftsdienste. Die Rheinländer haben gar wegen der vielen anonymen Anzeigen eine Art Denunzianten-Telefondienst eingerichtet. Dass der Nachschub an Informationen über anonyme Anzeigen irgendwann abreißen könnte, das glaubt der Fiskus nicht.

Informationsquelle 3: Sonstige Quellen

Besonders beliebt bei der Steuerverwaltung sind Kreditkarten. Denn die meisten Besitzer dieser nützlichen Plastikkärtchen wissen nicht, dass Kreditkartengesellschaften keine Banken sind. Das ohnehin schon minimale Bankgeheimnis gilt für die deutschen Niederlassungen von American Express, Eurocard, Visa und Diners nicht. Auf Anfrage des Fiskus müssen die Gesellschaften postwendend die angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellen. Zum Beispiel Abrechnungsunterlagen, die zehn Jahre zurückreichen. Eine richterliche Anordnung ist dafür nicht nötig. Die fatale Folge: Der Fiskus kann bei eifrigen Kartennutzern zum Beispiel eine Reise fast auf die Stunde genau nachzeichnen.

Spezielle Abteilungen der Oberfinanzdirektionen werten regionale und überregionale Zeitungen aus. Besonders beliebt sind dabei die zahlreichen Kleinanzeigen für Autos, Immobilien und Boote. Viele Steuerhinterzieher sind schon aufgefallen, weil sie ihre teuren Ferienhäuser im Ausland und ihre Luxusboote per Chiffre-Anzeige verkaufen wollten. Was sie nicht wussten: Die Anzeigenabteilungen der Zeitungen müssen dem Finanzamt den Verkäufer nennen, selbst wenn sich dieser hinter einer anonymen Chiffre versteckt.

Selbst Zeitungsartikel über Einbrüche führen den Fiskus manchmal zu einem Steuerhinterzieher. Wenn dort berichtet wird, dass dem Unternehmer Cleverle bei einem Einbruch seine millionenschwere Kunstsammlung gestohlen wurde, regt sich die Neugierde jedes Finanzbeamten.

Bei Betriebsprüfungen bei Versicherungen interessieren sich die Finanzbeamten auch für Verträge verschiedener Sparten. Fallen ihnen beispielsweise hohe Hausrat- oder Kunstpolicen in die Hände, ist eine Kontrollmitteilung an das Finanzamt des Versicherungsnehmers fällig.

Ein besonderes Beispiel: Beim Prüfen einer Kfz-Versicherung schrieb der Prüfer Kontrollmitteilungen an die Finanzämter von Steuerzahlern, die ein so genanntes Oldtimer-Kennzeichen beantragt hatten. Bei dieser Aktion fielen mehrere Liebhaber alter Autos auf, deren versteuertes Vermögen für den Kauf eines solchen Fahrzeugs gar nicht ausreichen konnte.

Bei den Prüfungen von Reisebüros und Fluggesellschaften schreiben die Beamten gerne Kontrollmitteilungen über Kunden, die Luxusreisen gebucht haben. Dies gilt teilweise bei Buchungen ab 10.000 Euro. Mit Hilfe dieser Mitteilungen prüft das Finanzamt die Einkommensteuererklärungen der Urlauber daraufhin, ob sie tatsächlich über so viel Geld frei verfügten.

Informationsquelle 4: Bundeszentralamt für Steuern

Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) hieß bis Ende 2005 "Bundesamt für Finanzen" und ist die zentrale Datensammelstelle der deutschen Finanzverwaltung. Seit dem 1. April 2005 speichert der Fiskus die Kontendaten der Kreditinstitute. Folgende Daten werden mit Zugriff beim BZSt gespeichert:

  • Datum der Errichtung und Auflösung des Kontos oder Depots,
  • Name und Geburtsname des Inhabers und des Verfügungsberechtigten,
  • Geburtsdatum,
  • Anzahl der Konten und Depots, die der Kunde beim Kreditinstitut unterhält,
  • Kontonummer.

Nicht enthalten sind Daten über Kontenbewegungen und Depotstände.

Mit Hilfe dieser umfangreichen Datensammlung prüfen die Beamten schnell, ob alle Konten in der Steuererklärung auftauchen. Bei säumigen Steuerpflichtigen erfahren sie die Bankverbindungen für die Vollstreckung.

Seit Juli 2005 ist die EU-Zinsrichtlinie in Kraft. Seitdem melden 21 EU-Staaten sowie eine Reihe von Steueroasen wie Gibraltar oder die Cayman-Inseln Kapitalerträge deutscher Anleger nach Bonn. Umgekehrt informiert das BZSt die Heimatstaaten ausländischer Anleger über deren Erträge in Deutschland. Selbst wenn Kapitalanleger nur einen Euro pro Jahr an Zinsen erhalten, werden ihre ausländischen Kontoverbindungen durchsichtig. Nachfragen des Finanzamts über detaillierte Listen von Auslandserträgen in den vergangenen Jahren sowie nach der Herkunft der Gelder sind für die Betroffenen programmiert.

Das Bundeszentralamt kennt zudem schon seit Jahren sämtliche heimischen Konten und Depots, auf denen auch nur ein Euro landet, der wegen eines Freistellungsauftrags steuerfrei bleibt. Der Grund: Die heimischen Banken melden automatisch online solche Erträge, nach Aktien und Zinspapieren getrennt. Die Finanzämter greifen online auf die gesammelten Daten zu. Auch Sozialleistungsträger gleichen ihre Daten ausgiebig ab.

Informationsflut trifft auch Unschuldige

Die zahlreichen Informationsquellen, die den Finanzämter zur Verfügung stehen, erhöhen das Risiko beträchtlich, ins Visier der Steuerfahndung zu geraten. So geschehen bei einer Frau, der nach dem Tod ihres Mannes eine steuerfreie Lebensversicherung ausgezahlt wurde. Damit kaufte sie ihrem Schwager für 45.000 Euro eine Motoryacht ab. Dem Finanzamt des Schwagers fiel dies auf und erkundigte sich weiter. Obwohl schon der Schwager auf den Todesfall und die Lebensversicherung verwies, wurde die Steuerfahndung tätig.

Das Fatale: Beim Standesamt war der Tod des Ehemanns nicht aktenkundig. Denn dieser war in Holland verstorben und die entsprechenden Dokumente lagen den deutschen Behörden noch nicht vor.

Statt zunächst bei der Betroffenen weitere Unterlagen anzufordern, erwirkten die Beamten einen Durchsuchungsbeschluss gegen die Eheleute sowie ihre Hausbank. Obwohl die Witwe den Steuerfahndern sofort die Sterbeurkunde und eine Rechnung über Beerdigungskosten vorlegte, setzten diese die Durchsuchung fort und beschlagnahmten zahlreiche Papiere – als mögliche Beweise für die Steuerhinterziehung. Erst nachdem die Witwe einen Anwalt eingeschaltet hatte, stellte die Fahndung das Verfahren ein.

Dieser Fall ist ein gutes Beispiel dafür, dass selbst jeder unbescholtene Bürger Besuch von der Steuerfahndung bekommen kann – und bekommt. Kontrollmitteilungen oder ein einziger anonymer Anruf eines neidischen Nachbarn oder Konkurrenten reichen aus. Sorgen Sie vor, indem Sie sich auf den Umgang mit Steuerfahndung vorbereiten, bevor sie vor Ihrer Haustür steht.

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