BFH hält Pendlerpauschale für verfassungswidrig – wie Sie jetzt richtig reagieren

vom 24. Januar 2008 (aktualisiert am 05. Oktober 2015)
Von: Lutz Schumann

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die drastische Kürzung der Pendlerpauschale seit Anfang 2007 für verfassungswidrig (Beschluss vom 10. Januar 2008, veröffentlicht am 23. Januar 2008, Aktenzeichen: VI R 17/07). Zu entscheiden hat nun das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Mit seiner Entscheidung bestätigte der BFH, was viele Steuerexperten und der Steuer-Schutzbrief schon immer vermutet hatten.

Hintergrund: Mit der Pendlerpauschale – auch "Entfernungspauschale" genannt – konnten Autofahrer Fahrtkosten zwischen ihrer Wohnung und Arbeitsstätte bis 2006 mit 0,30 Euro pro Entfernungskilometer als Steuern mindernde Werbungskosten geltend machen. Zum 1. Januar 2007 wurde die Vorschrift grundlegend geändert. Sie gilt seitdem nur noch für jeden Entfernungskilometer, der über die ersten 20 Kilometer hinausgeht.

Bereits im August 2007 hatte der BFH, das oberste deutsche Steuergericht, einem niedersächsischen Ehepaar vorläufigen Rechtsschutz gewährt, das gegen die Kürzung geklagt hatte. Damals hatte der BFH schon "ernstliche Zweifel" an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Entfernungspauschale angemeldet (Aktenzeichen: VI B 42/07).

BFH-Richter sehen zahlreiche Mängel bei der Kürzung der Entfernungspauschale

Die BFH-Richter bemängeln in ihrer aktuellen Begründung heftig die Argumentation des Gesetzgebers, wonach der Weg von und zu der Arbeitsstätte den privaten Aufgabenkreis falle (so genanntes Werkstorprinzip). Der VI. Senat des BFH hält die Neuregelung für verfassungswidrig, da Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte weder als Werbungskosten noch auf andere Weise geltend gemacht werden können.

In ihrer Begründung verpassen die BFH-Richter dem Gesetzgeber einen deutlichen Rüffel: Nach ihrer Auffassung sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte Erwerbsaufwendungen. Deshalb müssten sie bei der Bestimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach dem so genannten objektiven Nettoprinzip berücksichtigt werden. Die Begründung "Haushaltskonsolidierung" des Gesetzgebers biete für sich genommen noch keinen sachlichen Grund dafür, Steuerzahler ungleich zu behandeln. Der BFH ist ferner der Ansicht, dass der Gesetzgeber das Werkstorprinzip nicht folgerichtig umgesetzt hat. Denn sonstige Mobilitätskosten – wozu unter anderem Kosten der doppelten Haushaltsführung zählen – könnten weiterhin als Werbungskosten oder in sonstiger Weise steuerlich geltend gemacht werden.

Doch selbst wenn man das Werkstorprinzip anerkennen sollte, verstieße nach Ansicht der Richter das Abzugsverbot gegen das subjektive Nettoprinzip. Konkret: Es handele sich um unvermeidbare Ausgaben, denen sich der Arbeitnehmer nicht beliebig entziehen könne. Diese Kosten seien auch nicht durch den steuerlichen Grundfreibetrag abgegolten. Andernfalls bliebe das einkommensteuerliche Existenzminimum hinter dem sozialrechtlichen Mindestbedarf zurück. Danach nämlich zählen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den notwendigen Ausgaben, die das Einkommen mindern, das nach Sozialhilferecht zu berücksichtigen ist. Nach der Rechtsprechung des BVerfG aber muss der Gesetzgeber dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen mindestens das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt.

Außerdem trage die Neuregelung im Fall beiderseits berufstätiger Ehegatten nicht dem Gleichheitssatz in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Gebot zum Schutz von Ehe und Familie Rechnung.

Steuer-Tipp: Damit hat der Bundesfinanzhof seinen Kollegen vom Bundesverfassungsgericht genügend Gründe gegeben, die Pendlerpauschale in voller Höhe aufrechtzuerhalten. Experten gehen daher davon aus, dass sich der Gesetzgeber mit seiner neuen Pendlerpauschale auch bei den Verfassungsrichtern eine blutige Nase holen wird.

Wie Sie die Pendlerpauschale in Ihrer 2007er Steuererklärung berücksichtigen

1. Wichtig! Machen Sie Ihre Fahrten zur Arbeitsstelle wie bisher vom 1. Entfernungskilometer als Werbungskosten geltend. Die Finanzämter werden dies nicht anerkennen und die Pendlerpauschale erst ab dem 21. Kilometer berechnen.

2. Legen Sie gegen Ihren Einkommensteuerbescheid innerhalb eines Monats nach Erhalt schriftlich Einspruch ein. Dies können Sie sich erst ersparen, wenn das Bundesfinanzministerium alle Steuerbescheide in Sachen Pendlerpauschale automatisch offen hält. So lange dies nicht geschieht, müssen Sie gegen Ihren Steuerbescheid rechtzeitig Einspruch einlegen und ein Ruhen des Verfahrens beantragen.

Wir haben ein kostenloses Musterschreiben zum Einspruch gegen die Kürzung der Entfernungspauschale für Sie erstellt, das Sie am Computer mit Ihren Daten füllen und ausdrucken können.

Wie Sie die Pendlerpauschale im laufenden Jahr berücksichtigen

1. Möglichkeit: Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte. Wenn Sie schon 2008 Steuern sparen möchten, können Sie sich Ihre Fahrtkosten vom 1. Entfernungskilometer auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen. Das geht allerdings nur, wenn Ihre Werbungskosten (zum Beispiel Pendlerpauschale, Fortbildung) 2008 über 1.500 Euro liegen. Achtung! Können Sie nur Fahrtkosten absetzen, muss Ihr Arbeitsweg (einfache Fahrt) mindestens 24 Kilometern betragen, um die Werbungskostengrenze zu überschreiten.

Nachteil: Sollte das Bundesverfassungsgericht die Kürzung der Pendlerpauschale für rechtmäßig erklären, müssen Sie die im laufenden Jahr gesparten Steuern plus Zinsen ans Finanzamt zurückzahlen. Aus diesem Grund empfahl der Steuer-Schutzbrief bisher, diese Fahrtkosten nicht als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eintragen zu lassen.

2. Möglichkeit: Steuererklärung 2008. Auch wenn Sie den Freibetrag auf Ihrer Lohnsteuerkarte nicht nutzen, ist die höhere Pendlerpauschale – im Fall einer steuerzahlerfreundlichen Entscheidung des BVerfG – für Sie nicht verloren. Sie können sich das Geld mit Ihrer Einkommensteuererklärung 2008 Anfang 2009 vom Finanzamt zurückholen.

Nicht nur Autofahrer profitieren von der Entfernungspauschale

Die Pendlerpauschale gilt für alle – egal, ob sie mit dem Bus, dem Motorrad oder zu Fuß zur Arbeit gelangen oder bei einem Kollegen mitfahren. Deshalb sollten jetzt alle Arbeitnehmer jetzt aktiv werden.

Mehr Tipps zum Thema in diesen Rubriken: Arbeitnehmer, Fahrtkosten, Pendlerpauschale/Entfernungspauschale, Werbungskosten