Umsatz- und Gewerbesteuer in der Arztpraxis: Die Einkunftsarten im Blick behalten

Ärzte sind Freiberufler und haben steuerliche Vorteile. Damit die Leistungen aber nicht nur gewerbesteuer-, sondern auch umsatzsteuerfrei sind, muss das therapeutische Ziel im Vordergrund stehen. Das wird allzu oft vergessen – mit gravierenden Folgen.

Von Christian Goetze, Steuerberater und Fachberater für das Gesundheitswesen bei Ecovis in Ulm und Annette Bettker, Steuerberaterin bei Ecovis in Rostock

Einen einkommensteuerlich freiberuflichen Heil- oder Heilhilfsberuf übt aus, wer Krankheiten feststellt, lindert oder heilt. Dazu gehören auch Leistungen der vorbeugenden Gesundheitspflege. Mit dem medizinischen Fortschritt steigt die Zahl der ärztlichen Behandlungen ohne medizinische Notwendigkeit. Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen das oft nicht. Wo liegt hier das Problem? „Allein die Tatsache, Arzt zu sein, reicht nicht aus, dass die erzielten Einnahmen als freiberufliche und von der Umsatzsteuer befreite Einnahmen zu sehen sind“, erklärt Christian Goetze, Steuerberater bei Ecovis in Ulm.

Sollte eine ärztliche Leistung beispielsweise umsatzsteuerpflichtig sein, dann muss das nicht zwingend auch zu einer gewerblichen Einnahme führen. Gerade bei Leistungen, die sich an der Grenze zwischen noch Heilbehandlung oder schon gewerblicher Tätigkeit oder umsatz-steuerpflichtiger Einnahme bewegen, ist immer eine individuelle Prüfung vorzunehmen. „Hier gibt es leider kein Schwarz oder Weiß, sondern unzählige Einzelfallentscheidungen seitens der Gerichte, die die Ärzteschaft bisweilen den Überblick verlieren lassen“, sagt Goetze, „auch die Tendenz zu größeren Wirtschaftseinheiten, wie bei Radiologen oder Zahnärzten oft üblich, verschärfen die Problematik.“ So gibt es bestimmte Brennpunktthemen, die gerade bei steuerlichen Betriebsprüfungen immer wieder ein Schwerpunkt sind. Vor allem Praxen, bei denen viele fachgleiche oder -fremde Ärzte angestellt sind, stehen im Fokus.

Was die Stempeltheorie bedeutet

Der Arzt muss als Freiberufler grundsätzlich selbstständig tätig sein, also seine Arbeit allein und selbst erledigen. Er darf dazu aber fachlich vorgebildete Arbeitskräfte einsetzen oder sich für Urlaub und bei Krankheit vertreten lassen.

Dennoch ist immer sicherzustellen, dass der Arzt aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist. „Auch wenn ein Arzt andere Kollegen in seine Arbeit einbezieht, muss er dieser immer seinen persönlichen Stempel aufdrücken“, erklärt Ecovis-Steuerberaterin Annette Bettker in Rostock. „Bei seiner täglichen Arbeit muss der Arzt immer durch regelmäßige Kontrolle patientenbezogen Einfluss ausüben.“ Die spezifisch ärztliche Tätigkeit kann der Praxisinhaber grundsätzlich nur selbst durch persönlichen Arbeitseinsatz leisten. Er muss

  • Voruntersuchungen selbst durchführen,
  • Behandlungsmethoden für den Einzelfall vorgeben,
  • problematische Fälle selbst behandeln.

„Um im Fall einer Betriebsprüfung nachweisen zu können, dass der Arzt federführend die Patienten behandelt, sollten seine Tätigkeiten schriftlich belegt, glaubhaft und nachprüfbar in der Patientenakte dokumentiert werden – für die Betriebsprüfer natürlich mit anonymisierten Patientendaten“, empfiehlt Bettker.

Warum die gewerbliche Infektion gefährlich ist

Kann beispielsweise nicht nachgewiesen werden, dass der Arzt seine Arbeit „stempelt“, tritt die gewerbliche Infektion, also die Abfärbung, ein. „Das ist gerade für Berufsausübungsgemeinschaften als Personengesellschaften ein großes Problem“, sagt Steuerberater Goetze. Denn dann werden alle Einkünfte, also auch die aus freiberuflicher Tätigkeit, gewerblich. Bei Personengesellschaften wird der Gesamtgewinn der Praxis gewerbesteuerpflichtig, wenn sich die Einnahmen aus der gewerblichen Tätigkeit auf mehr als drei Prozent der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft belaufen oder 24.500 Euro im Veranlagungszeitraum übersteigen.

Richtig IGeLn und Umsatzsteuer vermeiden

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) gehören nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Da es sich bei ärztlichen IGeL-Angeboten aber zumeist um Dienstleistungen höherer Art handelt, also um Dienstleistungen, die besondere Fachkenntnis oder wissenschaftliche Bildung voraussetzen, entsteht grundsätzlich kein gewerbesteuerliches, sondern ein umsatzsteuerliches Problem. Gewerbesteuerlich problematisch ist es beim Arzt meist nur dann, wenn er neben seiner freiberuflichen Tätigkeit einen mit Gewinnerzielungsabsicht verbundenen Handel mit Waren betreibt. Dazu gehört beispielsweise der Verkauf dieser Produkte:

  • Nahrungsergänzungsmittel,
  • Kontaktlinsen und Pflegemittel,
  • Schuheinlagen oder
  • Mundhygieneartikel.

Umsatzsteuerlich gibt es keine pauschale Beurteilung für IGeL-Angebote. „Klar ist, dass die fehlende Kostenübernahme durch die Krankenkassen kein Kriterium dafür sein darf, ob die Leistung umsatzsteuerfrei ist oder nicht“, erklärt Bettker. Es ist aber in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein therapeutischer Zweck vorliegt oder nicht. „Denn nur was der Therapie dient, ist umsatzsteuerfrei.“

Umsatzsteuerpflichtige und -befreite Gutachtertätigkeiten

Freiberufliche Einkünfte erzielt ein Arzt durch die selbstständig ausgeübte heilkundliche Tätigkeit. Auch gutachterliche Stellungnahmen über den Gesundheitszustand untersuchter Personen gehören dazu. Ohne unmittelbares therapeutisches Ziel sind sie nicht umsatzsteuerbefreit. „Diese Gutachten dienen mehr der Entscheidungsfindung Dritter, als dass hier ein therapeutisches Ziel verfolgt wird“, erklärt Christian Goetze. Zu den von der Umsatzsteuer nicht befreiten Gutachten gehören zum Beispiel:

  • Drogen- oder Alkohol-Gutachten,
  • Medizinisch-psychologische Gutachten über die Fahrtauglichkeit,
  • Zeugnisse oder Gutachten über das Sehvermögen oder über Berufstauglichkeit in Versicherungsangelegenheiten,
  • Gutachten in Unterbringungssachen oder Einstellungsuntersuchungen oder
  • Berufstauglichkeitsuntersuchungen.

Umsatzsteuerbefreit sind (Auswahl):

  • Gutachten zu medizinischen Vorsorgeund Rehabilitationsleistungen oder zur Hilfsmittelversorgung und zur häuslichen Krankenpflege,
  • Erstellung einer ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit als Entscheidungsgrundlage für die Kostenübernahme des Unfallversicherungsträgers,
  • Vorsorgeuntersuchungen, um Krankheiten möglichst frühzeitig festzustellen, etwa Krebsfrüherkennung,
  • IGeL-Leistungen, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht,
  • Alkohol- und Drogengutachten, wenn anschließend eine Heilbehandlung folgen soll, oder
  • Leistungen zur Kontrolle von Blutspenden sowie zur Blutgruppenbestimmung.

Die Beispiele zeigen, dass es oft schwierig ist festzustellen, ob eine Tätigkeit umsatzsteuerfrei ist oder nicht. „Wir empfehlen daher, sich Expertenrat einzuholen, um die jeweiligen Tätigkeiten steuerlich richtig beurteilen zu können“, sagt Ecovis-Steuerberaterin Bettker.

Wie sich Gutachtertätigkeiten nach der Praxisaufgabe auswirken

Verkauft ein Arzt seine Praxis, ist der Gewinn nur dann steuerlich begünstigt, wenn der Mediziner seine freiberufliche Tätigkeit beendet und die Behandlung der bisherigen Patienten komplett einstellt. Will er weiterhin Gutachten erstellen, muss er darauf achten, dass die Einnahmen aus der Gutachtertätigkeit unter zehn Prozent der durchschnittlichen drei Vorjahres-Einnahmen vor der Praxisveräußerung liegen. Das gilt neuerdings auch dann, wenn der Arzt nach der Praxisaufgabe neue Auftraggeber gewinnt.