Frist verpasst - was tun?

Wenn Sie die Einspruchsfrist verpasst haben, ist noch nicht alles verloren. Hier sind 6 mögliche Auswege:

1. Genauen Beginn der Einspruchsfrist prüfen (lassen)

Prüfen Sie, ob der Steuerbescheid tatsächlich innerhalb der Bekanntgabevermutung von drei Tagen bei Ihnen einging. Können Sie einen späteren "tatsächlichen Zugang" beweisen, so ist die Einspruchsfrist womöglich länger als die offizielle. Sie können Ihren Einspruch fristgerecht nachholen (siehe Musterbrief "tatsächliche Bekanntgabe") und die Begründung später nachreichen.

Falls Sie den Steuerbescheid wegen eines Fehlers oder Streiks bei der Post verspätet bekommen haben, beginnt die Frist erst später zu laufen. Lesen Sie hier, welche Rechte und Pflichten Sie haben.

Steuer-Tipp: Ein einzelner Tag ist entscheidend für Ihre Steuererstattung. Ziehen Sie sicherheitshalber einen Steuerberater hinzu, wenigstens um den Fristablauf zu prüfen. Nur ein Fachmann stellt verbindlich fest, ob und wann Ihre Einspruchsfrist zu laufen begann.

2. Enthält der Steuerbescheid die Rechtsbelehrung?

Die Einspruchsfrist ist im Steuerbescheid ausdrücklich genannt und wird mit richtiger Zustellung als bekannt vorausgesetzt. Hat das Finanzamt allerdings die Rechtsbelehrung auf dem Steuerbescheid vergessen, verlängert sich die Einspruchsfrist auf ein Jahr.

Ähnliches gilt für den Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung: Welche Punkte darin in Detail und Form stehen müssen, ist laufend Gegenstand deutscher Finanzgerichtsverfahren. Ein prominentes jüngeres Beispiel war die Frage, ob ein Einspruch per E-Mail wirksam ist. Beanstandet der Bundesfinanzhof (BFH) eine Formulierung, ist die gesamte Rechtsbehelfsbelehrung nichtig und dem Steuerpflichtigen steht eine längere Einspruchsfrist zu. Für den Laien ist es jedoch unmöglich, alle laufenden und kürzlich entschiedenen Verfahren zu überblicken.

Steuer-Tipp: Lassen Sie von einem Steuerberater prüfen, ob die Rechtsbehelfsbelehrung in Ihrem Steuerbescheid dem aktuellen Stand der Rechtsprechung entspricht. Falls nicht, muss das Finanzamt Ihren vermeintlich zu späten Einspruch annehmen.

Extra-Tipp: Lassen Sie bei dieser Gelegenheit prüfen, ob es weitere Gründe für einen Einspruch gibt und ob Ihnen deutlich mehr Geld vom Finanzamt zusteht als gedacht.

3. Ist der Steuerbescheid offenbar unrichtig?

Sie können gegen einen Steuerbescheid vorgehen, der "offensichtlich unrichtig" ist, zum Beispiel weil er Rechen- oder Übertragungsfehler enthält. Bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist können Sie verlangen, dass das Finanzamt diese Fehler berichtigt. Das Finanzamt seinerseits darf solche Fehler bis zu einem Jahr nach Bekanntgabe des Steuerbescheids korrigieren.

Beispiel: Zwei Monate nach dem Zugang prüft der Steuerpflichtige den Steuerbescheid. Dabei bemerkt er, dass das Finanzamt beim Zusammenrechnen der Werbungskosten zwei Zahlen verdreht und deshalb nur 2.350 statt 3.250 Euro anerkannt hat. Der Betroffene weist das Finanzamt schriftlich darauf hin und erhält Steuern erstattet.

4. Liegen neue Tatsachen oder Beweise vor?

Ein rechtskräftiger Bescheid lässt sich ändern, wenn neue Tatsachen oder Beweise vorliegen, die den Steuerbetrag ändern. Wenn die zu zahlende Steuer dadurch sinkt, gilt eine Voraussetzung: Sie dürfen es nicht grob verschuldet haben, dass diese Tatsachen oder Beweise erst nachträglich bekannt wurden.

5. Eröffnet das Finanzamt Ihren Steuerfall erneut?

Es kommt vor, dass das Finanzamt einen rechtskräftig geglaubten Steuerbescheid ändert und eine Steuernachzahlung von Ihnen verlangt. In diesem Fall dürfen Sie innerhalb eines Monats sämtliche Steuern mindernden Gründe nachreichen, die Sie in der regulären Einspruchsfrist versäumt hatten. Hierdurch ist es jedoch höchstens möglich, die neue fällige Steuernachzahlung auszugleichen. Alle darüber hinaus angefallenen Kosten sind unwiederbringlich verloren. Informieren Sie sich ausführlich über diesen Fall im Kapitel "Falsche Sicherheit: Das Finanzamt ändert einen (rechtskräftigen) Steuerbescheid".

6. Einspruchsfrist unverschuldet versäumt?

Haben Sie die Frist unverschuldet versäumt und können dies belegen? In diesem Fall beantragen Sie mit unserem Musterschreiben die so genannte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, damit das Finanzamt Ihnen eine neue Einspruchsfrist gewährt. Dann können Sie den Bescheid anfechten und befinden sich im normalen Einspruchsverfahren. Mögliche Gründe sind Urlaub, Geschäftsreise oder Krankheit.

Achtung: Auch für diesen Antrag gilt die Monatsfrist! Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Grund weggefallen ist, der Sie an einem fristgerechten Einspruch gehindert hatte.