Zweierlei Maß gegenüber Zumwinkel & Co.

vom 05. Februar 2009 (aktualisiert am 03. Januar 2012)
Von: Lutz Schumann

Liebe Leserin, lieber Leser,

die jüngsten Strafen für Steuerhinterzieher zeigen, wie weit in Deutschland Theorie und Praxis auseinanderliegen und mit welch unterschiedlichem Maß die Gerichte trotz klarer Vorgaben messen. Manch einer würde sogar von Ungerechtigkeit sprechen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Anfang Dezember 2008 die Strafen für Steuerhinterziehung drastisch erhöht und zudem feste Grenzen festgelegt:

  • Bis 50.000 Euro sollen die Richter nach der BGH-Entscheidung im Normalfall Geldstrafen verhängen.
  • Ab 100.000 Euro sollen Steuerhinterzieher mit Gefängnis bestraft werden, zumindest auf Bewährung.
  • Wer Millionen am Fiskus vorbei schleust, soll in aller Regel ins Gefängnis wandern. Diese Haftstrafe auf Bewährung auszusetzen, komme nur in Betracht, wenn "gewichtige Milderungsgründe" vorlägen, urteilte der Erste Strafsenat des BGH.

Die BGH-Richter stützten ihre Entscheidung auf Paragraf 370 Abgabenordnung (AO), wonach sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe fällig sind, wenn Steuern "in großem Ausmaß" verkürzt werden. Beim Betrug liegt diese Grenze bei 50.000 Euro. Es gäbe keinen Grund, Steuerhinterzieher gegenüber anderen Wirtschaftsstraftätern besser zu stellen, erklärten die Richter (BGH-Urteil vom 2. Dezember 2008, Aktenzeichen 1 StR 416/08).

Milde-Bonus für Liechtensteiner Steuersünder?

Soweit die Theorie. Doch in der Praxis fällt auf, dass die Liechtensteiner Steuersünder verhältnismäßig glimpflich davonkommen. So zum Beispiel im Juli 2008 der ehemalige Immobilienhändler Elmar S., der rund 8 Millionen Euro an Steuern hinterzogen hatte. Er wurde zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe der Steuerschuld verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Bochum hat signalisiert, dass man sich beim Strafmaß weiterer Verfahren an diesem Urteil orientieren wolle.

Vergangene Woche erhielt auch der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel eine milde Strafe, die den BGH-Vorgaben so gar nicht entspricht - zumindest in den Augen von Rechtslaien, die sich mit dem Rabatt- und Milderungssystem deutscher Gerichte nicht so gut auskennen. Zumwinkel hatte über 1 Million Euro über eine Liechtensteiner Stiftung hinterzogen. Er erhielt eine Geldstrafe sowie 2 Jahre Haft auf Bewährung.

Von Bedeutung war bei diesem milden Urteil unter anderem die Panne eines Ermittlungsrichters, wodurch Zumwinkels Straftat zum Teil verjährte und die gerichtlich verfolgbare Summe der hinterzogenen Steuern unter die Grenze von 1 Million Euro rutschte. Bedeutend waren außerdem Zumwinkels Lebensleistung und natürlich die Tatsache, dass es nicht nur auf die absolute Höhe der Steuerhinterziehung ankommt, sondern auch auf die relative. Sprich: Im Vergleich zu Zumwinkels sonstigem Einkommen im Lauf der vergangenen Jahre nimmt sich diese eine läppische Million als derart unbedeutend aus, dass man nicht lange drauf herumreiten sollte.

Die andere Hälfte der Wirklichkeit ist härter

Ein Beispiel außerhalb der Liechtenstein-Affäre zeigt die Unterschiede bei der Strafbemessung. Rechtsanwalt Dr. Franz Salditt, einer der renommiertesten deutschen Steuerstrafverteidiger, stellte dieses Beispiel auf dem 31. Deutschen Steuerberatertag Oktober 2008 in Bonn dar:

Ein Mittelständler hatte 400.000 Euro Steuern hinterzogen und musste sich vor einem Landgericht in Niedersachsen verantworten. Es handelt sich also um ein Zwanzigstel der Summe, die der Immobilienhändler Elmar S. hinterzogen hatte. Die Steuerhinterziehung lag rund 8 Jahre zurück, was meist eine geringere Strafe bedeutet. Er hatte das Geld schon vollständig an den Staat zurückgezahlt. Das Urteil: drei Jahre Haft ohne Bewährung.

Wie lässt sich dieser auffallende Unterschied erklären? Der Rechtsexperte Salditt vermutete auf dem Steuerberatertag, die Staatsanwaltschaft wolle Angeklagte ködern, sich mit den Behörden zu verständigen. Zugleich sollten die Straftäter darauf verzichten, ihre Urteile durch den Bundesgerichtshof überprüfen zu lassen. Der Grund: Den Ermittlungsrichtern sei beim Ausstellen der Durchsuchungsbeschlüsse der Liechtenstein-Sünder gezielt verschwiegen worden, dass sich der Tatverdacht aus entwendeten Kontodaten einer Liechtensteiner Bank ergeben habe, die der deutsche Auslandsgeheimdienst für einen stattlichen Millionenbetrag gekauft hatte.

Es könnte also durchaus sein, dass diese Beweismittel vor Gericht gar nicht verwertet werden dürften. Ein Angeklagter müsste diese Möglichkeit nur ausfechten. Doch wozu sollte er dies tun, wenn er auf Bewährung am Gefängnis vorbeimarschieren darf und dazu nur die Portokasse öffnen muss? Der millionenschwere Manager Klaus Zumwinkel jedenfalls hatte kein Interesse an diesem Weg, sondern erkannte die Strafe an. Der Richter wiederum wollte diesen Punkt nicht aus bloßem eigenen Antrieb überprüfen, schließlich waren sowohl Verteidigung als auch Staatanwaltschaft glücklich.

Am Ende bleiben drei Gewissheiten, zumindest für mich:

  • Wer sich freikaufen kann, wird dies tun.
  • Wer nicht über Liechtenstein hinterzogen hat, kommt weniger einfach aus der Geschichte raus.
  • Steuerbetrug ist zwar nicht zu entschuldigen, aber eine derartige Ungleichbehandlung beim Strafmaß sorgt doch für ein ungutes Gefühl.

Verzeihung, natürlich gibt es noch eine vierte Gewissheit:

Steuerhinterziehung lohnt sich nicht, egal wie gering die Strafe ausfällt! So wird heute wahrscheinlich auch Klaus Zumwinkel denken. Nutzen Sie, verehrte Leser, lieber die vielen legalen Möglichkeiten, um Steuern zu sparen. Der Steuer-Schutzbrief versucht, Ihnen dabei bestmöglich zu helfen.

Herzlicht, Ihr

Unterschrift Lutz Schumann

Lutz Schumann
Chefredakteur und Herausgeber