Steuerverschwendung: Großprojekte sind ein Lottospiel

vom 23. Oktober 2013 (aktualisiert am 24. Oktober 2013)
Von: Carsten Wegner
Ein Denkmal für Steuerverschwendung: Die Soda-Brücke auf dem Autobahnrastplatz Vellern Süd. Bild: Bund der Steuerzahler

Ein Denkmal für Steuerverschwendung: Die Soda-Brücke auf dem Autobahnrastplatz Vellern Süd. Bild: Bund der Steuerzahler

Liebe Leserin, lieber Leser,

400.000 Euro für 300 Meter Radweg. 310.000 Euro, um eine Brücke auf einem Autobahnrastplatz zu parken. Virenverseuchte Computer einfach mal weggeworfen. Der Bund der Steuerzahler (BdSt) hat sein aktuelles Schwarzbuch "Die öffentliche Verschwendung 2013" veröffentlicht - und wie immer bekomme ich beim Lesen jeder Seite ein Magengeschwür.

Quer durch die Republik sind die Verantwortlichen mit dem Planen, Umsetzen und Überwachen öffentlicher Projekte überfordert. Das liegt meist daran, dass sie während ihrer Amtszeit allenfalls an einem größeren Projekt beteiligt sind und somit nicht über eine Qualifikation auf Hobby-Niveau hinauskommen können. Zudem ziehen sich viele (Bau-)Vorhaben über mehrere Wahlperioden hin - neue Mannschaft, neue Wünsche, neue Kosten.

1.333 Euro pro Meter

Doch selbst bei kleinsten Bauarbeiten kommt der Ausgang einem Lottospiel gleich. Zum Beispiel in Ludwigslust, wo ein rund 4 Kilometer langer Radweg zur Ortschaft Kummer gebaut werden sollte. In 7 Jahren Bauzeit schaffte man laut BdSt nur 300 Meter mit zwei Brücken über kleine Bäche. Die Kosten des Stückchens im Nirgendwo: 400.000 Euro plus Wartung und Winterdienst. Das sind 1.333 Euro pro Meter. Nicht einmal der Gehweg vor der Hamburger Elbphilharmonie kostet so viel Geld. Erst als Satiresendungen im Fernsehen Anfang 2013 über Ludwigs-Bauunlust berichteten, holten die Stadtverantwortlichen die Akten aus dem Archiv und ließen sie von einer Reinigungsfirma entstauben (Kosten hierfür noch unbekannt, Recherche läuft). Für die Fertigstellung wurden weitere 200.000 Euro bewilligt.

Zwei Treppen ins Nirgendwo

Wunderhübsch anzusehen ist die "Soda-Brücke" auf dem Autobahnrastplatz Vellern Süd. Das denkmalgeschützte Exemplar deutscher Ingenieurskunst wurde für 310.000 Euro auf den nächstbesten (und einzig verfügbaren) Platz versetzt: den Parkplatz. Falls also Vellern Süd einmal völlig überfüllt sein sollte, gelangt man trotzdem über die Menschenmassen hinweg zu seinem Auto.

Man könnte auch fragen: Wie viel ist Denkmalschutz wert, wenn ein einfaches Stück Beton ohnehin nicht auf seinem ursprünglichen Platz stehen bleiben darf? Bitte, die Auktion ist eröffnet: Wer am meisten bietet, darf die "Soda-Brücke" als Carport-Balkon-Kombination in seinen Vorgarten stellen.

Hochansteckende Computer

Letztes Beispiel für horrende Unfähigkeit im Amt: das Institut für Qualitätsentwicklung Mecklenburg-Vorpommern (IQ MV), das dem Bildungsministerium zugeordnet ist. Der unaufmerksame Leser achte bitte auf die Wörter "Qualität" und "Entwicklung", die darauf hindeuten, dass hier jemand Ahnung von Computern, Internet und Software im weitesten Sinn haben könnte. Im Jahr 2010 wurden schätzungsweise 100 Rechner des "IQ MV" mit verschiedenen Viren und Würmern verseucht, wie 2013 bekannt wurde. Da man Würmer nicht wieder los wird, wenn sie sich erst einmal durch Apfel oder Festplatte gefressen haben, kaufte das Bildungsministerium kurzerhand für mindestens 146.000 Euro neue Computer. Aber nicht 100 Stück, sondern 170 - schließlich wusste niemand, welche Rechner betroffen waren und welche nicht. Die ausgetauschten Geräte landeten auf dem Schrott, wo sie nun arglose Schrauben und Auspuffrohre infizieren.

Das Bildungsministerium glänzte also durch Ahnungslosigkeit. Ich meine nicht Merkel-#Neuland-Ahnungslosigkeit, sondern eine völlige Unkenntnis darüber, wie unsere Welt seit drei Jahrzehnten funktioniert. Ahnungslosigkeit wie in "Wir hacken uns den Arm ab, weil wir mit dem Gehstock in Hundekot geraten sind". Anstatt aber jemanden zu fragen, der sich mit dieser Hexentechnologie auskennt, wählte das Ministerium die Totalverschrottung. Statt 100 Festplatten mit einem Scheuertuch zu reinigen, wurden 170 Geräte vernichtet. Der Austausch dauerte bis zu 9 Monate. Ich traue mich nicht zu recherchieren, ob "nur" die Festplatten entsorgt wurden oder auch die Gehäuse, Bildschirme und Tastaturen.

Das Schlimmste an diesem Vorfall: Niemand hat professionell ermittelt, wie die Viren und Würmer ins System gelangt waren. Sie könnten sich also jederzeit erneut verbreiten. Ein Glück, dass der Preis für neue Computer seit Jahren sinkt!

Mehr Glück beim Lotto

Mein Schluss aus diesen drei Beispielen: Die Entscheidungen unserer Verwaltungen und politischen Gremien sind in Hinblick auf Kosten, Nutzen und Erfolg nichts anderes als ein überteuertes Lottospiel. Nur dass die Gewinnchancen beim Lotto höher sind - und das sage ich als ein Gegner dieses Spiels. Der große Pluspunkt beim Lotto: Ein fester Teil der Einsätze geht an gemeinnützige Zwecke. Ihr Geld als Spieler kommt also dort an, wo es gebraucht wird. (Der genaue Prozentsatz hängt vom Bundesland ab. Gefördert werden Sport, Soziales, Denkmalpflege, Kunst und Kultur.)

Deshalb mein zukunftsweisender Vorschlag:

  • Sparen Sie so viel Steuern wie möglich - sie könnten andernfalls verschwendet werden.
  • Spielen Sie für den gesparten Betrag Lotto - Sie könnten gewinnen.
  • Erkundigen Sie sich, an welche gemeinnützigen Einrichtungen Ihr Spieleinsatz fließt - Sie könnten sich wohltätig fühlen.
  • Gewinnen Sie 600.000 Euro - Sie könnten einen Radweg bauen.

Kleines Rubbellos obendrauf: Bei einer Recherche zu einem anderen Thema stieß ich kürzlich auf die Geld-zurück-Garantie für Neuspieler eines Lottoanbieters. Jeder Einsatz, der beim ersten Kauf nicht gewinnt, kann einmalig erneut gesetzt werden. Geld verschleudern und zurückbekommen. Zumindest, um es noch mal zu verschleudern.

Wie auch immer man solche Lockangebote bewertet: Eine zweite Chance wünsche ich mir sehnlichst auch bei der Ver(sch)wendung unserer Steuergelder.

Herzlichst, Ihr

Carsten Wegner
Herausgeber

P. S. Lottogewinne sind übrigens steuerfrei. Der Staat kann hier nicht auf dumme Gedanken kommen.