Mehr Einfachheit durch Abgeltungsteuer - vorerst

vom 07. November 2008 (aktualisiert am 03. Januar 2012)
Von: Lutz Schumann

Liebe Leserin, lieber Leser,

wer über komplizierte Steuern, Ungerechtigkeiten und Bürokratie in Deutschland schimpft, muss auch mal die positiven Entwicklungen würdigen. Im Fall der Abgeltungsteuer habe ich diesen fairen Grundsatz bislang vernachlässigt. Im Vordergrund stand eher die Frage, wie Sie, lieber Leser, durch die Abgeltungsteuer Geld sparen können. Zugegeben, einen solchen Steuer-Tipp teile ich Ihnen auch heute wieder mit (Stückzinsen-Modell). In diesem Editorial aber blicke ich - rund zwei Monate vor ihrer Gültigkeit - auch auf die grundsätzlichen Vor- und Nachteile der 25-prozentigen Pauschalsteuer auf Kapitaleinkünfte.

Im Vorfeld dieser "flat tax" gab es viele Diskussionen: Die SPD-Linke klagte, dass die Abgeltungsteuer ungerecht sei, weil sie ausgerechnet Besserverdienende aus ihrer individuellen Steuerpflicht entlasse. Experten bemängelten, die Sonderregel für Zinserträge passe nicht in das deutsche System, das alle Einkünfte gleich behandele, egal aus welcher Einkunftsart sie stammten.

Wenn ich politische und rechtstheoretische Argumente außen vor lasse, dann bleibt unter anderem ein praktisches übrig: Die Abgeltungssteuer baut Bürokratie ab und verringert den Anreiz, Geld am Fiskus vorbei zu schleusen. In dieser Hinsicht machte unser Nachbarland Österreich beste Erfahrungen mit seiner Abgeltungsteuer von 25 Prozent. Warum nicht einen bewährten Ansatz kopieren?

Mehr Freizeit statt bürokratischer Formulare

Bislang mussten deutsche Anleger die Formulare KAP, AUS und SO ausfüllen - sechs DIN-A-4-Seiten hochkomplizierte Finanzamtsmaterie. Sie mussten An- und Verkaufsbescheinigungen für Aktiengeschäfte sichten, sortieren, dem richtigen Depot zuordnen und ihrer persönlichen Einkommensteuererklärung im Original beifügen. Steuer- und Jahresbescheinigungen wollten kontrolliert und mit den Transaktionen verglichen werden. Wer mehrere Konten und Depots bei verschiedenen Banken, Brokern und Fondsgesellschaften besaß, musste zwangsweise ein Excel-Formular verwenden, um nicht den Überblick zu verlieren. Auch die Zuordnung von Werbungskosten auf die verschiedenen Kapitalerträge kostete die Anleger jedes Jahr eine Menge Zeit und Nerven.

Damit ist ab 2009 endlich Schluss! Die Abgeltungsteuer ist in dieser Hinsicht ein wahrer Bürokratiekiller und verschafft vielen Steuerzahlern ein paar Stunden mehr Freizeit. Denn ab 2009 erledigt die Bank deren Arbeit - zumindest, wenn es um die normalen Anlagegeschäfte geht.

Zugegeben: Kompliziert wird es mit "alten" Wertpapieren, die Anleger noch in ihrem Depot haben. Immerhin können sie diese nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist bis einschließlich 2013 steuerfrei verkaufen. Auch "alte" Aktienverluste lassen sich innerhalb dieser Übergangsfrist bis 2013 mit neuen Aktiengewinnen Steuern mindernd verrechnen. Weitere Besonderheiten beruhen auf alten Gesetzen, die man mit der neuen "flat tax" abstimmen musste. Erst ab 2014 gibt es fast keine Ausnahmen mehr.

Keine Vereinfachung ohne Rückschritt?

So wichtig die Abgeltungsteuer als Schritt in Richtung Bürokratieabbau auch ist: Misslich fällt auf, dass die große Koalition mal wieder über das Ziel hinausgeschossen ist, und zwar bei der neuen Besteuerung von Kursgewinnen. Diese waren bislang nach einer Haltezeit von einem Jahr steuerfrei, was in Hinblick auf die "Einfachheit" nicht zu überbieten ist. Jetzt fallen auch Kursgewinne unter die Abgeltungsteuer. Mit dem Argument, ein ungerechtfertigtes Steuerprivileg zu streichen und eine gleichmäßigere Besteuerung zu erreichen, sicherte sich die Koalition eine neue Einnahmequelle.

Auch hier lohnt sich ein Blick zu unseren Nachbarn: In vielen Ländern ist gesetzlich verankert, langfristig erzielte Kursgewinne nicht zu besteuern. Die Schweizer untersagten ihrem Gesetzgeber per Volksabstimmung, Kursgewinne zu besteuern. Aber vielleicht liegt die unterschiedliche Herangehensweise auch daran, dass die deutschen Politiker einfach viel, viel einfallsreicher sind, wenn es um das Erschließen neuer Einnahmequellen geht.

Fazit: Weniger Bürokratie, mehr Einfachheit dank Abgeltungsteuer

Mit der Abgeltungsteuer ist den Politikern endlich eine wirkliche Vereinfachung gelungen. Auf den ersten Blick mag das wegen der vielen Übergangsregelungen nicht so aussehen. Zudem musste der Gesetzgeber ständig auf findige Sparmodelle antworten, vorzugsweise auf solche aus dem Ausland. Doch wenn die Übergangszeit mit dem 31. Dezember 2013 abgelaufen ist, verfügt auch Deutschland über eine Einfachsteuer.

Vorausgesetzt natürlich, den Verantwortlichen fällt bis dahin nicht noch eine weitere "Verbesserung" ein.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende. Herzlichst, Ihr

Unterschrift Lutz Schumann

Lutz Schumann
Herausgeber und Chefredakteur Steuer-Schutzbrief

P. S.: Wenn es schon Ausnahmen gibt, dann sollte man sie auch zu seinem Vorteil nutzen. Eine dieser Geld sparenden Ausnahmen lesen Sie in der aktuellen Ausgabe meines Steuer-Newsletters, und zwar im Artikel über das Stückzinsen-Modell. Eine andere Ausnahme stellt die Verrechnung von Aktienverlusten dar, über die ich in der vergangenen Ausgabe ausführlich berichtete.