Allerlei Leipziger Pingelei

vom 06. Juni 2013 (aktualisiert am 11. Januar 2018)
Von: Carsten Wegner

Liebe Leserin, liebe Leserin,

in Solidarität mit der Universität Leipzig verwende ich heute nur die weibliche Form. Warum, weiß ich nicht, frau muss ja nicht alles hinterfragen. Bedürfnisse, die sich durch Tatsachen äußern, sind Grund genug. Vielleicht fühle ich mich auch bloß benachteiligt, weil die Frauschaft des Steuer-Schutzbriefs nur aus Männern besteht.

Vielleicht aber will mein tiefstes Inneres dafür büßen, dass ich in den vergangenen Jahrzehnten meist ohne nachzudenken die männliche Form wählte, wann immer es um Steuerhinterzieherinnen oder pingelige Sachbearbeiterinnen im Finanzamt ging. Allerdings... jetzt, wo ich diesen Satz erneut lese, weiß ich auch warum: Ich mag es einfach nicht, den Damen das Elend dieser Welt anzulasten.

Außerdem heißt es allein schon deshalb "der pingelige Finanzbeamte", weil sich dann einer meiner Autorinnen angesprochen fühlt und mit mir schimpft. Das ist eine Dauerbrennerin zwischen uns geworden. Er sagt dann immer, die Kolleginnen im Amt seien gar nicht so verbohrt und prinzipienberitten. Ich würde das gern glauben und sonne mich in seinem jugendlichen Optimismus. Er war wahrscheinlich noch nie in Leipzig.

Nein, wenn es um Gleichstellung geht, dann achte ich lieber auf andere Dinge. Zum Beispiel, dass mein Anschauungs-Steuerzahlerin "Max Clever" auf die Kinder aufpasst, während seine Frau die große Kohle scheffelt. Dass es nicht unbedingt sein Sohnemann sein muss, der Maschinenbau studiert. Dass es "Putzhilfe" heißt (steuerlich absetzbar), um ja in keinen Wassereimer zu treten.

Schwieriger wird es jedoch, wenn ich versuche, die Steuermaterie zu veranschaulichen und einfache Tipps zu geben à la "Sie als GmbH-Geschäftsführer sollten dies und jenes tun". Klar, dass nicht jede Chefin männlich ist. Ebenso klar, dass nicht jede Leserin männlich ist. Außer, sie haben mitten im Satz eine Geschlechtsumwandlung (eventuell steuerlich absetzbar). Aber wenn es um die Verständlichkeit geht, dann sollte man bei der gebräuchlichsten Form bleiben. Das ist nun einmal meist die männliche Form.

Die Leipzigerinnen würden sagen: "Genau das ist es ja, wogegen wir kämpfen". In Ordnung, Botschaft angekommen. Ihr habt mich sogar zum Nachdenken gebracht, was ich beim ersten Lesen der "Professorin"-Nachricht nicht vermutet hätte. Mein Kampf ist jedoch ein anderer, er gilt dem täglichen Steuerwahnsinn, und da kann ich keinen Nebenkriegsschauplatz gebrauchen. Diese neue sprachliche Unschärfe macht mich sowieso schon ganz wuschig im Kopf.

Ich hoffe, Sie als Leserin - wenn Sie denn eine sind -, sehen es mir nach. Wenn ich Sie vermännliche, ist das weder nachlässig noch böse gemeint. Der umgekehrte Fall auch nicht.

Herzlichst, Ihr

Carsten Wegner
Herausgeberin

P. S. Raten Sie mal, über welche Wörter dieses Artikels die Rechtschreibprüfung meiner Textverarbeitung geschimpft hat. Ich hoffe, den Leipziger Stud...ierenden geht es bei ihren Hausarbeiten nicht genauso.