Ab 2010 höhere Krankenkassenbeiträge absetzbar

vom 09. November 2009 (aktualisiert am 02. August 2012)
Von: Lutz Schumann

Beiträge zur gesetzlichen oder privaten Kranken- und Pflegeversicherung sollen ab 2010 besser von der Steuer absetzbar sein. Das sieht das Bürgerentlastungsgesetz der Bundesregierung vor. Die Regierung ist zu einer Neuregelung ab dem Jahr 2010 verpflichtet, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das bisherige Gesetz Anfang 2008 für verfassungswidrig erklärt hatte (Aktenzeichen: 2 BvL 1/06).

Hintergrund: Bislang lassen sich Beiträge zur Krankenversicherung nur zum Teil und innerhalb einer jährlichen Höchstgrenze als Sonderausgaben von der Steuer absetzen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte 2006 daran gezweifelt, dass dieser beschränkte Steuerabzug verfassungsgemäß ist. Der Sonderausgaben-Höchstbetrag hindere den Steuerzahler daran, für einen angemessenen Versicherungsschutz zu sorgen (Aktenzeichen: X R 20/04). Das Bundesverfassungsgericht bestätigte am 13. Februar 2008 die BFH-Entscheidung und setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31. Dezember 2009, um ein neues Gesetz zu verabschieden.

Das Gesetzgebungsverfahren ist längst nicht abgeschlossen und in den Details gibt es einige Ungewissheiten, vor allem bei der praktischen Umsetzung. Dennoch sind die Pläne so weit fortgeschritten, dass im Internetauftritt des Bundesfinanzministeriums (BMF) mehrere Seiten mit Informationen, Erklärungen und Berechnungsbeispielen zu finden sind. Von Bedeutung sind dabei die Begriffe "Höchstgrenze" und "Basiskrankenversicherung":

Neuerung 1: "Höchstgrenze" oder besser "pauschale Mindestabsetzbarkeit"

Das BMF hat eine Steuererleichterung ausgearbeitet, die sich am treffendsten mit "pauschale Mindestabsetzbarkeit" bezeichnen lässt. Das BMF selbst spricht Verwirrenderweise von einer "Höchstgrenze". Vermutlich liegt das daran, dass die Verantwortlichen einen Wert weiterentwickelt haben, der zurzeit tatsächlich noch eine Höchstgrenze ist, nämlich die höchstmögliche Absetzbarkeit aller Vorsorgeaufwendungen insgesamt. Diese liegt noch bei 2.400 Euro für Steuerpflichtige, die alleine für ihre Krankenversicherung aufkommen müssen, vor allem also für Selbstständige. Sie beträgt 1.500 Euro für Beihilfeberechtigte und für Arbeitnehmer, die einen steuerfreien Zuschuss zu ihrer Krankenversicherung erhalten.

Ab 2010 sollen zum einen diese beiden Absetzbarkeiten um 400 Euro steigen, also auf 2.800 Euro und 1.900 Euro. Zum anderen sollen diese Beträge auch dann absetzbar sein, wenn die tatsächlichen Aufwendungen niedriger waren. Dies geht aus der Erklärung und der Beispielrechnung im Internet hervor und wurde vom BMF auf unsere telefonische Nachfrage hin ausdrücklich bestätigt. Demnach ist der bisherige Begriff "Höchstgrenze" falsch, da es sich um eine genaue, pauschale Grenze handeln wird. Wir sprechen dennoch von einer "Mindestabsetzbarkeit", weil dieser pauschale Wert von einer zweiten Neuregelung übertroffen werden kann.

Neuerung 2: Grundversicherungsschutz absetzen

Aufwendungen für den Basiskrankenversicherungsschutz sollen ab 2010 voll absetzbar sein, also auch über die oben erklärten Grenzen von 2.800 und 1.900 Euro hinaus. Hierbei handelt es sich um den so genannten Basistarif, den seit 2009 alle privaten Krankenversicherer anbieten müssen. Er entspricht im Wesentlichen dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Ebenfalls absetzbar sind Beiträge für den Ehepartner und für Kinder.

Steuerlich nicht berücksichtigt bleiben die Beitragsanteile für:

  • Chefarztbehandlung,
  • Ein-Bett-Zimmer,
  • Heilpraktiker,
  • Zahnersatz,
  • sonstige "Komfort-Leistungen" sowie
  • die Finanzierung des Krankengelds.

Aus diesen beispielhaften Ausschlüssen ergibt sich bereits das größte Problem, den derzeitigen Plan umzusetzen: Die vielen Millionen Krankenversicherungsverträge in Deutschland unterscheiden sich häufig im Einzelfall. In der Regel ist nicht festgelegt, in welcher Höhe die Beiträge die verschiedenen Leistungen abdecken. Somit ist nicht ersichtlich, in welcher anteiligen Höhe die Aufwendungen steuerbegünstigt oder nicht begünstigt sind. Das BMF ist sich dieser Schwierigkeit bewusst und hat angekündigt, Anfang 2010 mit einem Anwendungsschreiben zu klären, wie die Höhe der Grundversorgung zu ermitteln ist.

Gewinner, Verlierer und Ausblick:

Wenn der Gesetzentwurf genau so umgesetzt wird wie geplant, dann entlastet er auf den ersten Blick alle Versicherten. Arbeitgeber sollen die Beiträge bereits bei der monatlichen Lohnabrechung Steuern mindernd berücksichtigen. Daher wird sich die neue Regelung bereits im Januar 2010 bemerkbar machen.

Den größten Nutzen werden zwei Gruppen ziehen:

1. Versicherte mit sehr niedrigen Beiträgen. Sie dürfen eine Pauschale ansetzen, die über ihren tatsächlichen Aufwendungen liegt.

2. Versicherte mit hohen Beiträgen deutlich über der bisherigen Höchstgrenze. Sie dürfen künftig ihre tatsächlichen Aufwendungen (für den Grundtarif) geltend machen.

Beim zweiten Blick auf die Neuregelung muss man sich unweigerlich fragen, wie der Staat die Steuererleichterung finanzieren soll. Denn die gerichtlich erzwungene Gesetzesänderung wird ihn Milliarden Euro kosten, die er woanders einsparen muss. Ein Sparansatz ist bereits klar: Der Gesetzgeber will die sonstigen Vorsorgeaufwendungen künftig gar nicht oder zumindest sehr begrenzt Steuern mindernd anerkennen.

Von einer solchen Kürzung betroffen wären zum Beispiel Aufwendungen für:

  • Haftpflichtversicherungen,
  • Arbeitslosenversicherungen,
  • Unfallversicherungen,
  • Berufsunfähigkeitsversicherungen,
  • bestimmte private Rentenversicherungen und
  • bestimmte private Kapitallebensversicherungen.

Hierbei handelt es sich um Versicherungen, die entweder jedermann haben sollte (Haftpflicht- bis Berufsunfähigkeitsversicherung) oder die fast jeder hat (Kapitallebensversicherung oder private Rentenversicherung). Finanziell ändert sich unterm Strich also möglicherweise nichts, wenn der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzt.

Fazit: Für eine echte und volle Steuerersparnis bei Vorsorgeaufwendungen wären weitere erfolgreiche Verfassungsklagen notwendig. Andernfalls nutzt die Gesetzesänderung vor allem denjenigen Versicherten, die viel Geld für ihre Krankenversicherung ausgeben und wenig für die sonstigen Vorsorgeaufwendungen.

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