Zunehmende Kontenabfrage – trotz strittiger Verfassungsmäßigkeit

vom 08. Februar 2006 (aktualisiert am 17. September 2017)
Von: Lutz Schumann

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach Informationen der deutschen Finanzaufsicht BaFin gab es im letzten Jahr 62.000 Kontenabfragen. Regionale Volksbanken kommen sogar auf Millionen. Der Grund für die unterschiedlichen Angaben: Die BaFin zählt die Anfrage eines Finanzamts nur einmal, doch werden durch sie zahlreiche Anschlussanfragen bei den 2.300 Kreditinstituten in Deutschland ausgelöst. Fakt ist, dass die seit 2005 möglichen Kontenabfrage jetzt weitgehend automatisiert möglich ist. Die Computer der Kontenevidenzzentrale sind in der Lage, die riesigen Datenmengen in den 13 großen Rechenzentren der Banken mit zusammen 650 Millionen Konten rasch zu durchsuchen. Die ersten Erfahrungen sind nach Aussage der Finanzverwaltung positiv: Allein im dritten Quartal 2005 wurden in Rheinland-Pfalz bei jeder zweiten von 102 Kontenabfragen unbekannte Konten und Depots festgestellt, was zu zusätzlichen Steuerforderungen geführt habe.

Diese Erfolge werden für uns Betroffene nicht folgenlos bleiben. Immerhin hat der Fiskus eine Ausweitung der Anfragen im laufenden Jahr angekündigt. Nun kündigt sich Streit um die zukünftige Besteuerung der Kapitalerträge zwischen den Koalitionspartnern an: Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Otto Bernhardt, hält das geltende Kontenabrufverfahren für das falsche Instrument und plädiert für eine Abgeltungsteuer, die anonym auf Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne erhoben werden solle. Der finanzpolitische Sprecher der SPD, Jörg-Otto Spiller, dagegen hält eine Abkehr vom heutigen Verfahren für nicht ratsam. Eine Abgeltungsteuer sei steuersystematisch "höchst problematisch". Das heutige Verfahren sei "einfach und fair".

Bleibt abzuwarten, wie der Streit ausgeht. Das Bundesverfassungsgericht lehnte zwar einen Antrag ab, die Kontenabfrage vorläufig auszusetzen. Gleichzeitig betonte das oberste deutsche Gericht aber, dass der Ausgang der Verfassungsbeschwerde offen sei.

Ich wünsche Ihnen weiterhin eine erfolgreiche Woche, Ihr

Lutz Schumann

Lutz Schumann
Chefredakteur