Schnüffelei bleibt Schnüffelei

vom 19. November 2013 (aktualisiert am 19. November 2013)
Von: Lutz Schumann

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich verstehe gar nicht, warum sich unsere Politiker über die Datenschnüffelei des US-Geheimdienstes so aufregen. Unsere Finanzverwaltung ist doch um keinen Deut besser. Sie schnüffeln selbst und lassen schnüffeln - und das sogar mit der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesfinanzhofs.

Mit Hilfe der Schnüffelsoftware "Xpider" sucht das Bundeszentralamt für Steuern schon seit Jahren das Internet und dort speziell Plattformen wie Ebay und Amazon nach Hinweisen auf Steuerhinterzieher ab. Einem Artikel von Spiegel Online zufolge werden jeden Tag mehr als 100.000 Seiten gescannt.

Von der einzelnen Kontrollmitteilung zur Sammelanfrage

Gesucht werden Bundesbürger, die nicht als Unternehmer registriert sind und große Mengen Neuware über das Internet anbieten. Findet Xpider Anbieter, erfolgt ein automatischer Abgleich der Daten des Anbieters mit Datenbanken der Finanzverwaltung. Wenn der Gesuchte dort nicht registriert ist, erhält sein Wohnsitzfinanzamt eine Kontrollmitteilung. Weitere Recherchen, zumeist bei der Internetplattform, sind die Folge. Das zuständige Finanzamt wird weitere Informationen von den Internetplattformen anfordern, zum Beispiel die detaillierten Umsätze des Nutzers in den letzten Jahren. Die sogenannte Abgabenordnung sieht so eine Auskunft in Paragraf 93 Absatz 1 ausdrücklich vor.

Doch arbeitsintensive Einzelanfragen aufgrund konkreter Hinweise genügen der Finanzverwaltung nicht mehr. Sammelanfragen bringen doch viel mehr. Die Finanzverwaltung verlangte 2012 von der deutschen Schwestergesellschaft eines in Luxemburg ansässigen Betreibers einer Internethandelsplattform eine Liste der Nutzer mit Verkaufserlösen von mehr als 17.500 Euro pro Jahr. Diese sollte den Namen und die Anschrift der Händler, deren Bankverbindung sowie deren Geburtsdaten und die Pseudonyme, mit denen die Verkäufer im Internet auftreten, enthalten.

Der Bundesfinanzhof erlaubt Sammelanfragen

Das Unternehmen lehnte dies mit dem Argument ab, dass man mit dem Schwesterunternehmen in Luxemburg die Geheimhaltung der Daten vereinbart habe. Vor dem Finanzgericht bekam das Unternehmen Recht. Der Bundesfinanzhof hob das Urteil jedoch auf (Aktenzeichen II R 15/12).

Mit diesem Urteil haben die obersten deutschen Finanzrichter Sammelanfragen der Finanzverwaltung - ohne konkrete Verdachtsmomente - Tor und Tür geöffnet und die Schnüffelei der Finanzverwaltung damit rechtsstaatlich legitimiert.

Herzlichst, Ihr

Unterschrift Lutz Schumann

Lutz Schumann
Chefredakteur und Herausgeber