Kontoabfragen so häufig wie nie zuvor

vom 06. Oktober 2008 (aktualisiert am 03. Januar 2012)
Von: Lutz Schumann

Liebe Leserin, lieber Leser,

unsere Behörden nutzen die automatische Kontoabfrage (auch: Kontenabruf, Kontenscreening) so oft wie noch nie. 2007 griffen Finanzamt und andere Behörden insgesamt 93.560 Mal auf die Datensätze der Banken zu. Das ist eine Steigerung um 15 Prozent gegenüber dem Jahr 2006. Die Datenabfragen betrafen rund 817.000 Konten. Die meisten Anfragen, immerhin über 72.0000, kamen dabei von Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften. Finanz- und Zollbehörden blickten insgesamt rund 20.000 Mal in die Kontodaten der Bürger, wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in ihrer Jahresstatistik 2007 mitteilte.

Der Hintergrund: Beim automatisierten Kontenabrufverfahren geben die Kreditinstitute die Kontonummer, den Tag der Konteneinrichtung und -auflösung, den Namen und Geburtstag des Kontoinhabers und auch Namen und Anschrift eines anderen wirtschaftlich Berechtigten an das Bundeszentralamt für Steuern weiter. Zudem hat die BaFin Zugriff auf die bankinternen Datensätze und leitet sie an eine anfragende Behörde weiter (Paragraf 24c des Gesetzes über das Kreditwesen). Finanz- und Zollbehörden wählen die Kontenabfrage bei der BaFin nur bei der Verfolgung von Straftaten. Weit häufiger nutzen Finanz- und Zollbeamte die Kontenabfrage direkt über das Bundeszentralamt für Steuern (§ 93 Abs. 7 AO), vorausgesetzt ein Auskunftsersuchen beim Steuerpflichtigen selbst blieb ohne Erfolg.

Die Finanzämter können durch die Abfrage der Kontenstammdaten herausfinden, bei welcher Bank ein Steuerpflichtiger ein Konto oder Depot unterhält. Sie können nicht einzelne Kontenbewegungen, den Saldo des Kontos oder die genaue Höhe der Kapitalerträge abfragen.

Gegenwehr ist dabei übrigens zwecklos. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den Kontenabruf mit Beschluss vom 13. Juni 2007 abgesegnet (Aktenzeichen: 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05). Theoretisch können Sie sich natürlich ein Konto und/oder Depot im "sicheren" Ausland suchen, also in einem Staat, der keinerlei Informationen an den deutschen Staat gibt. Solange Sie dort kein Schwarzgeld verstecken, ist das vollkommen legal. Allerdings machen Sie sich auf diese Weise erst recht bei deutschen Behörden verdächtig und werden womöglich häufiger geprüft.

Meine Einschätzung für die Zukunft: Die Zahl der Kontenabfragen wird weiter steigen. Denn sind Kontrollwerkzeuge erst einmal eingeführt, wollen sie genutzt werden. Die Voraussetzungen sinken schleichend und Ausnahmen werden immer häufiger gewährt. Letztlich wird die Kontrolle zur Normalität. Irgendwann rufen Behörden und Politiker nach neuen und wirksameren Werkzeugen. Der Kreislauf der Aushöhlung beginnt von vorne.

Das Nachsehen hat der gesetzestreue, aber völlig durchleuchtete Bürger. Irgendwann aber auch der Staat - ich verweise auf mein Editorial der vergangenen Ausgabe, wonach mehr Vertrauen des Staats in seine Bürger die Steuerehrlichkeit fördert. Zu viel Kontrolle dagegen ruft ungewolltes Verhalten hervor.

Apropos Kontrolle: Ausgerechnet die Politiker brauchen sich darum nicht zu scheren. Abgeordnete genießen eine jährliche Werbungskostenpauschale, die mittlerweile rund 49 Mal so hoch liegt wie die normaler Steuerbürger. Schließlich haben Abgeordnete ja Besseres zu tun, als Belege für ihre beruflichen Ausgaben zu sammeln und vorzulegen. Ungleichbehandlung? Kein Problem, denn Abgeordnete sind laut Bundesfinanzhof mit keiner anderen Berufsgruppe vergleichbar.

Ich verabschiede mich mit durchleuchteten Steuergrüßen. Herzlichst, Ihr

Unterschrift Lutz Schumann

Lutz Schumann
Herausgeber und Chefredakteur