Die neue Steuer-Identifikationsnummer - Kontrolle von der Wiege bis zur Bahre

Die Computeranlagen in den deutschen Einwohnermeldeämtern und im Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) laufen seit Ende 2007 auf Hochtouren, damit alle über 80 Millionen Einwohner Deutschlands 2008 eine persönliche Steuer-Identifikationsnummer, kurz IdNr., erhalten. Die 11-stellige IdNr. ersetzt die alte 12-stellige Steuernummer. Ein großer Unterschied zur alten Steuernummer: Die neue gilt ein Leben lang, selbst bei Umzug, Heirat oder Umstrukturierung seines Finanzamts.

Von Lutz Schumann, Chefredakteur und Herausgeber

Seit dem 1. Juli 2007 übermittelten die rund 5.300 Einwohnermeldeämter Daten wie Namen, Adresse und Geburtstag an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Die Bonner Behörde glich die Daten bundesweit ab und vergab eine eigene Nummer an jeden Einwohner, vom Neugeborenen bis zum Greis.

Finanzämter ermitteln schneller, sicherer und effizienter

Für die Finanzbehörden war die Einführung der Steueridentifikationsnummer der Sprung ins digitale Zeitalter und zugleich der Anschluss an Europa. In anderen EU-Mitgliedsstaaten waren einheitliche Identifikationsmerkmale wie die so genannte "Taxpayer Identification Number (Tin)" 2007 bereits weit verbreitet. Die neue Nummer sollte dem Bürokratieabbau dienen und die Besteuerung modernisieren. So sah es damals jedenfalls das Bundesfinanzministerium (BMF).

Doch Berliner Eingeweihte munkeln, dass die neuen Nummern in erster Linie dabei helfen sollen, Steuermauscheleien zu verhindern. Dies gilt zum Beispiel für den Finanzamtstourismus, der vor allem bei Umsatzsteuerbetrügern beliebt ist. Dabei gibt der Steuerpflichtige bei mehreren Finanzämtern unter verschiedenen Steuernummern seine Umsatzsteuererklärungen ab und hofft auf hohe Vorsteuererstattungen. Mit der IdNr. und dem Zugriff auf eine einheitliche Datenbank ist die Nummer eindeutig einer Person oder Firma zuzuordnen, wodurch das Finanzamt schneller und effizienter ermitteln kann. Tricksereien mit unterschiedlichen Namen oder Anschriften werden schnell erkannt.

Details zur Steuernummer: Wer, was, wie lange?

Zwei Identifikationsnummern werden vergeben:

  • für natürliche Personen eine steuerliche Identifikationsnummer (IdNr.) nach § 139b Abgabenordnung (AO).
  • für wirtschaftlich tätige natürliche Personen (zum Beispiel Einzelunternehmer, Freiberufler), juristische Personen (zum Beispiel GmbH, AG) und Personenvereinigungen (zum Beispiel GbR, OHG) die steuerliche Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) nach § 139c AO.

Die neue individuelle Identifikationsnummer (IdNr.) besteht aus 11 Ziffern und wird jedem Bürger bei seiner Geburt automatisch durch das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zugeteilt und gespeichert. Zu jeder Nummer speichert der Fiskus die Angaben zu

  • Familienname, Vorname (auch frühere Namen, Künstlernamen etc.),
  • Doktorgrad,
  • Geburtsdatum und Geburtsort,
  • Geschlecht,
  • gegenwärtige/zuletzt bekannte Anschrift,
  • eventueller Sterbetag,
  • eventuell vergebene Wirtschafts-Identifikationsnummern und
  • zuständige Finanzbehörde.

Die IdNr. wird erst 20 Jahre nach dem Tod des Steuerzahlers gelöscht, weil Erben für eventuelle Steuerschulden des Erblassers haften. Wegen der Fristverlängerungsvorschriften kann das Finanzamt auch schon mal mehr als ein Jahrzehnt nach dem Tode des Erblassers auf die Erben zukommen, wenn es zum Beispiel vermutet, dass der Verblichenen Steuern hinterzogen hatte.

Datenschützer kritisieren die Steuernummer

Kritiker sehen in der Steueridentifikationsnummer einen weiteren Schritt zum "gläsernen Bürger". Für Datenschützer ist die neue Steuernummer zusätzliches Überwachungsinstrument für den Staat. "Durch die bereits etablierten Kontroll- und Abfragemöglichkeiten in Verbindung mit der Identifikationsnummer droht der gläserne Steuerzahler", warnt etwa der Bund der Steuerzahler. Kontrollmeldungen der Banken, Versicherungen oder Bausparkassen seien nichts anderes als Datenübermittlungen zu den Finanzbehörden – und diese liefen dann künftig zentral über die persönliche Identifikationsnummer. 12 Jahre nach der Einführung der Steuernummer wurden es nicht so schlimm, wie von den Kritikern damals erwartet.

Zwar darf nach der jetzigen Gesetzeslage nur das Finanzamt Daten beim Bundeszentralamt für Steuern abrufen. Anderen Behörden ist der Abruf nur dann erlaubt, wenn er für den Datenaustausch mit den Finanzämtern erforderlich ist. Das aber beruhigt die Kritiker kaum. "Wer garantiert, dass die Datei später nur zum Datenaustausch für das Finanzamt genutzt wird?", fragt der Berliner Steueranwalt und Steuerberater Andreas Mainczyk. "Ist erst mal eine solche umfassende Datensammlung von allen Bundesbürgern eingerichtet, sollte es mich wundern, wenn nicht auch andere Behörden im Laufe der Zeit Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten."

Gläserne Rentner und Anleger

Für Rentner verschärft sich durch die neue Identifikationsnummer eine Steuerfalle. Hintergrund: Seit 2005 sind nach dem Alterseinkünftegesetz Renten, Betriebsrenten und private Altersbezüge steuerpflichtig. Einige Rentner haben das übersehen – ob versehentlich oder nicht, spielt keine Rolle. Jetzt müssen sie unverzüglich ihre IdNr. den Rentenversicherern melden. Diese geben die Rentenbezugsmitteilung mit der Steuernummer an die zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen in Brandenburg weiter. Nach Schätzungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft könnte es bis zu 400.000 Senioren treffen, die dann eine Steuererklärung abgeben müssen.

Auch Anleger sind betroffen. Sie müssen Ihre Identifikationsnummer künftig bei der Kontoeröffnung im EU-Ausland angeben oder nachreichen, wenn Sie dort schon ein Konto unterhalten. Die Folge: Nur in EU-Staaten mit einer Quellensteuer (Belgien, Österreich, Luxemburg) bleiben deutsche Anleger weiterhin anonym. Alle anderen EU-Staaten melden die jährlichen Zinserträge deutscher Anleger mit den dazugehörigen Steuernummern an die deutsche Finanzverwaltung.

Pessimisten sagen vorher, dass mit der neuen Identifikationsnummer in naher Zukunft jede bargeldlose finanzielle Transaktion eines Bürgers mit seiner einmaligen Identifikationsnummer verknüpft wird. So entstünde ein nahezu lückenloses Profil über seine Aktivitäten. Auch diese Prognose ist bislang (noch) nicht eingetreten.

Übrigens: Die realen Auswirkungen einer solchen Identifikationsnummer kann man sehr gut in Brasilien beobachten. Dort erhält ebenfalls jeder Bürger vom Finanzministerium eine eindeutige lebenslang gültige Steuernummer, CPF genannt. Ohne eine CPF kann man in Brasilien legal kein Konto eröffnen, kein Auto anmelden und noch nicht einmal einen Festnetztelefonanschluss beantragen.

Schnellübersicht Steuernummer: Was ersetzt was?

Bisherige Steuernummer Neue Steuer-Identifikationsnummer
Steuernummer einer Einzelperson. Zu finden auf dem Steuerbescheid oben links. Steuer-Identifikationsnummer (IdNr.), bundesweit und lebenslang gültig
Ehepaare: Steuernummer des "führenden" Ehepartners Beide IdNr., bundesweit und lebenslang
Erbengemeinschaft: separate Steuernummer IdNr. der Erben
Zulagennummer IdNr. oder W-IdNr., je nach gewährter Zulage
Steuernummer einer GmbH, OHG, GbR oder anderer Zusammenschlüsse, jeweils lokal vergeben, auch für Zweigstellen und Zweigniederlassungen W-IdNr. des Unternehmens, bundesweit einheitlich
Erbschaftsteuernummer IdNr. des Verstorbenen

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