Spekulationsverluste nachmelden, obwohl der Steuerbescheid rechtskräftig ist

vom 05. Februar 2009 (aktualisiert am 15. Januar 2018)
Von: Carsten Wegner

Kapitalanleger dürfen Spekulationsverluste auch dann nachmelden, wenn der Steuerbescheid des Jahres, aus dem die Verluste stammen, bereits rechtskräftig ist. Dieses Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH, Aktenzeichen: IX R 70/06) ist wichtig für alle Steuerzahler, die ihre alten Spekulationsverluste nie beim Finanzamt angegeben haben, zum Beispiel weil sie im selben Jahr ohnehin keine Spekulationsgewinne zum Verrechnen hatten. Jetzt ist es möglich, alte Verluste mit neueren Spekulationsgewinnen zu verrechnen. Außerdem lassen sich die Verluste seit 2009 mit Gewinnen aus Kapitalvermögen verrechnen, die der Abgeltungsteuer unterliegen.

Voraussetzungen für die Steuern sparende Verlustverrechnung:

  • In dem oder den Jahren, aus denen die Spekulationsverluste stammen, dürfen keine Spekulationsgewinne entstanden sein, mit denen der Anleger sie hätte verrechnen können.
  • Die Festsetzungsfrist des Steuerbescheids darf nicht abgelaufen sein. Das heißt, der Bescheid darf nicht vor länger als 4 Jahren ergangen sein.
  • Die Spekulationsverluste lassen sich höchstens bis einschließlich 31. Dezember 2013 mit Spekulationsgewinnen verrechnen. Danach läuft die Übergangsfrist der Abgeltungsteuer ab und ungenutzte Verluste verfallen.
  • Die Spekulationsverluste müssen aus Wertpapieren stammen, die der Anleger vor dem 1. Januar 2009 erworben hat, siehe dazu auch die nachfolgende Erklärung.

Hintergrund: Von "Spekulationsgeschäften" spricht man dann, wenn ein Anleger ein Wertpapier gekauft und innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist wieder verkauft hat. Erzielte er dabei einen Gewinn, musste er diesen versteuern. Machte er Verlust, konnte er ihn mit Spekulationsgewinnen aus demselben oder anderen Jahren Steuern sparend verrechnen. Mit Inkrafttreten der Abgeltungsteuer am 1. Januar 2009 fiel die Spekulationssteuer weg. Daher betrifft das obige BFH-Urteil nur Kapitalanlagen mit Einstiegsdatum vor dem 1. Januar 2009 und Verkaufsdatum innerhalb eines Jahres nach Kauf.

Abgrenzung zu einer früheren Entscheidung: Mit seinem aktuellen Urteil geht der BFH einen Schritt über seine bisherige Rechtsprechung hinaus. Am 22. September 2005 entschied das höchste deutsche Finanzgericht, dass Anleger ihre Verluste immer nachmelden können, wenn sie fürs Verlustjahr keine Steuererklärung abgegeben haben (Aktenzeichen: IX R 21/04). Dieses Urteil betrifft hauptsächlich Arbeitnehmer, die nebenher mit Aktien handelten und mangels Gewinnen nicht zu einer Steuererklärung verpflichtet waren.

Beispiel 1: Keine Steuererklärung abgegeben

Sie haben am 8. März 2006 Wertpapiere gekauft und am 12. Oktober 2006 mit Verlust verkauft, also innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist. Für das Verlustentstehungsjahr 2006 haben Sie keine Einkommensteuererklärung abgegeben, weil Sie ohnehin keine Gewinne zum Verrechnen hatten. Erst 2008 erzielten Sie an der Börse Spekulationsgewinne.

Steuer-Tipp: Machen Sie Ihre Altverluste nachträglich geltend und verrechnen Sie sie mit Ihren 2008er Gewinnen, um weniger Steuern zu zahlen! Geben Sie dazu entweder eine vollständige Steuererklärung für 2006 ab oder lassen Sie zumindest die 2006er Spekulationsverluste gesondert feststellen (Vorgehensweise siehe Beispiel 2).

Übrigens: Hier gilt eine Verjährungsfrist von 7 Jahren (Paragraf 10d Absatz 4 Satz 6 Einkommensteuergesetz (EStG)). Sie können also im Jahr 2009 noch Altverluste bis einschließlich 2002 nachträglich geltend machen.

Beispiel 2: Spekulationsverluste in Steuererklärung vergessen

Kapitalanlage wie in Beispiel 1. Sie haben für 2006 zwar eine Steuererklärung abgegeben, aber vergessen, Ihre Spekulationsverluste aufzuführen. Der Steuerbescheid ist rechtskräftig.

Steuer-Tipp: Melden Sie dem Finanzamt die vergessenen Miesen, indem Sie vom Finanzamt nachträglich eine gesonderte Feststellung des Verlustvortrags verlangen. Dies ist innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist möglich.

Um Ihre alten Spekulationsverluste gesondert feststellen zu lassen, brauchen Sie den Mantelbogen "Einkommensteuererklärung" des betreffenden Jahres, im Beispielfall also den von 2006. Kreuzen Sie auf der Seite 1 oben rechts das Kästchen "Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags" an und füllen Sie die Anlage SO aus. Sie erhalten dann von dem Finanzamt einen "Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer". Sie können die darin festgestellten Altverluste mit Ihren Spekulationsgewinnen (vor 2009) und mit Gewinnen aus Kapitalvermögen (seit 2009) verrechnen.

Achtung: Beachten Sie dazu die oben stehenden Voraussetzungen! Vor allem dürfen Sie im Verlustjahr keine Spekulationsgewinne erzielt haben. Denn mit denen hätten Sie die vergessenen Miesen zuerst verrechnen müssen. Nachträglich ist das in unserem Beispiel nicht möglich, weil der Bescheid bestandskräftig geworden ist.

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