Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) richtig nutzen

Die Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung) ist ein wichtiges Mittel für Kapitalanleger mit niedrigem Gesamteinkommen, um im Lauf des Jahres keine Abgeltungsteuer zu zahlen. Sie kann nützlicher sein als der Sparerpauschbetrag. In diesem Artikel lesen Sie, um wie viel Geld es beispielhaft geht, wann die NV-Bescheinigung Ihnen nützt, wie Sie sie bekommen und wie Sie ihren einzigen Nachteil vermeiden.

Grundfreibetrag schon während des Jahres nutzen

Hintergrund: In Deutschland sind Einkünfte nur dann einkommensteuerpflichtig, wenn sie insgesamt den Grundfreibetrag überschreiten, auch Existenzminimum genannt. Diese Regel gilt auch für Einkünfte aus Kapitalvermögen, trotz der Abgeltungsteuer: Wenn Ihre Gesamteinkünfte aus Arbeitslohn, Rente, Kapitalerträgen etc. in einem Jahr nur niedrig genug sind, müssen Sie darauf keine Steuern zahlen. Sollte Ihre Bank im Lauf des Jahres dennoch Abgeltungsteuer auf Ihre Zinsen und Dividenden ans Finanzamt abgeführt haben, geben Sie nach Jahresende eine Steuererklärung ab und bekommen das Geld erstattet.

Das Problem bei dieser Vorgehensweise ist, dass Sie über ein Jahr lang bis zum Ergebnis der Steuererklärung warten müssten, bis Sie die gezahlte Steuer zurückerhalten. Das wäre unverantwortlich, denn gerade als Geringverdiener sind Sie im Jahresverlauf auf jeden Euro angewiesen und können dem Fiskus keinen zinslosen Kredit geben. Zudem wäre es bürokratischer Unsinn, Steuern von Ihnen zu kassieren, obwohl bereits abzusehen ist, dass Sie jeden Cent davon zurückerhalten werden.

Um einen solchen Steuer- und Bürokratie-Unsinn zu vermeiden, gibt es die Nichtveranlagungsbescheinigung (NV-Bescheinigung). Mit diesem Dokument bestätigt das Finanzamt, dass bei Ihnen voraussichtlich keine Einkommensteuer entstehen wird. Legen Sie die NV-Bescheinigung Ihrer Bank oder Ihren Banken vor. Die Bank muss dann während des laufenden Steuerjahres keine Abgeltungsteuer auf Ihre Kapitalerträge einbehalten und ans Finanzamt abführen. Sie bekommen Ihre Kapitalgewinne voll ausbezahlt und können sie direkt wieder anlegen.

Begriffsunterscheidung: In der Regel ist mit "Nichtveranlagungsbescheinigung" die gebräuchlichste Form gemeint, nämlich diejenige für natürliche Personen bei ihrer Einkommensteuer, zur Vorlage bei Banken wie oben beschrieben. Daneben gibt es NV-Bescheinigungen für Unternehmen und Vereine.

Beispiel: So hilft Ihnen die NV-Bescheinigung

Beispiel: Sie sind Student, Rentner oder haben sich 1 Jahr Auszeit genommen, um durch die Welt zu reisen. Sie leben von Ihrem Ersparten, welches Sie außerdem sehr geschickt anlegen. So geschickt, dass sich Ihre Zinsen, Dividenden und Aktiengewinnen im Jahr 2015 auf 5.000 Euro belaufen. Ihre weiteren Einkünfte betragen 3.000 Euro. Zusammengerechnet sind das 8.000 Euro, somit bleiben Ihre Einkünfte unterhalb des Grundfreibetrags von 8.472 Euro für Ledige im Jahr 2015.

Ergebnis: Keine Abgeltungsteuer

Ergebnis: Da Sie den Grundfreibetrag unterschreiten, bleiben Ihre gesamten oben genannten Einkünfte steuerfrei. Ihre 5.000 Euro Kapitalerträge unterliegen nicht der pauschalen Abgeltungsteuer, da die Individualversteuerung günstiger für Sie ist.

Umsetzung ohne Nichtveranlagungsbescheinigung:

Wenn keine NV-Bescheinigung für Sie vorliegt, hat Ihre Bank im Lauf des Jahres 25 Prozent von 5.000 Euro = 1.250 Euro Abgeltungsteuer für Sie berechnet und ans Finanzamt abgeführt. Falls Sie einen Freistellungsauftrag eingereicht haben, sind die ersten 801 Euro Kapitalerträge dank des Sparerpauschbetrags steuerfrei. Die Bank hätte also 1.250 Euro - 801 Euro = 449 Euro Steuern für Sie abgeführt.

Nach Ablauf des Jahres geben Sie eine Steuererklärung ab. Darin führen Sie Ihre Kapitalerträge auf. Beim Bearbeiten Ihrer Steuererklärung erkennt das Finanzamt automatisch, dass es für Sie günstiger ist, Ihre Kapitalerträge nicht mit der Abgeltungsteuer zu versteuern, sondern über die Einkommensteuer (so genannte Günstigerprüfung). Da Ihre Einkommensteuer gleich Null ist, bekommen Sie die gezahlte Abgeltungsteuer von 449 oder 1.250 Euro zurückerstattet.

Umsetzung mit NV-Bescheinigung:

Wenn Sie bei Ihrer Bank eine NV-Bescheinigung eingereicht haben, darf sie keine Abgeltungsteuer auf Ihre Kapitalerträge einbehalten. Sie brauchen nicht auf die flüssigen Mittel von 449 oder 1.250 Euro zu verzichten. Wenn das Jahr 2015 abgelaufen ist, sind Sie allerdings dazu verpflichtet, eine Steuererklärung abzugeben. Dadurch überprüft das Finanzamt, ob Ihre gesamten Einkünfte tatsächlich den Grundfreibetrag unterschreiten.

Wer braucht eine Nichtveranlagungsbescheinigung?

Die NV-Bescheinigung ist sinnvoll für alle Steuerpflichtigen, deren Einkommen zu einem großen Teil aus Kapitalerträgen besteht, aber insgesamt so niedrig ist, dass sie keine Steuern zahlen müssen. Am häufigsten betrifft dies Rentner, Studenten und Kinder.

Denkbar ist sie für Steuerpflichtige, die sich eine lange Auszeit von einer Erwerbstätigkeit nehmen ("Sabbatical"). Möglicherweise auch für Existenzgründer, die ein Jahr lang keine nennenswerten Einnahmen haben werden. Allerdings werden es gerade letztere schwer haben, ihr Finanzamt von ihren bald sehr niedrigen Einkünften zu überzeugen.

Nichtveranlagungsbescheinigung oder Freistellungsauftrag?

Das Finanzamt stellt nur dann eine NV-Bescheinigung aus, wenn Sie keine Steuern zahlen, also maximale Einkünfte in Höhe des Grundfreibetrags erzielen. Den Freistellungsauftrag kann und sollte dagegen jeder Steuerzahler nutzen, egal wie hoch sein Einkommen ist.

Sie können nicht beide Mittel gleichzeitig nutzen, da die NV-Bescheinigung sozusagen den Freistellungsauftrag überwiegt. Aber Sie können - und sollten - beide Dokumente bei Ihrer Bank einreichen. Zumal der Aufwand dafür gering ist.

Faustregeln:

  • Holen Sie sich die NV-Bescheinigung - und gut ist.
  • Die NV-Bescheinigung ist um so sinnvoller, je stärker Sie erwarten, dass Ihre Kapitaleinkünfte in einem Jahr in die Nähe des Sparerpauschbetrags oder darüber hinaus kommen.
  • Je mehr Konten oder Depots bei verschiedenen Banken Sie unterhalten, desto sinnvoller sind mehrere NV-Bescheinigungen selbst bei geringen Kapitalerträgen. Denn wenn Sie sich bei diesen Rahmenbedingungen allein darauf verlassen, Ihren Sparerpauschbetrag mit Freistellungsaufträgen auf die verschiedenen Banken zu verteilen, müssten Sie die Kapitalerträge bei jeder einzelnen Bank sehr genau im Voraus schätzen.

Wie Sie die Nichtveranlagungsbescheinigung bekommen

Sie beantragen die Nichtveranlagungsbescheinigung beim für Sie zuständigen Finanzamt. Den dafür notwendigen "Antrag auf Ausstellung einer Nichtveranlagungs-(NV-) Bescheinigung" NV 1 A erhalten Sie auf Papier bei jedem Finanzamt und als Download vom Formularserver des Bundesfinanzministeriums (BMF). Das Antragsformular NV 1 A gilt für natürliche Personen bei ihrer Einkommensteuer. Unternehmen und Vereine brauchen das Formular NV 2 A oder NV 3 A.

Wie Sie den Antrag zur NV-Bescheinigung ausfüllen

In dem einseitigen Antragsformular NV 1 A müssen Sie Ihr voraussichtliches Einkommen im ersten Geltungsjahr, die Anzahl der benötigten Nichtveranlagungsbescheinigungen und einige persönliche Daten eintragen. Sie benötigen je ein Exemplar für jede Bank, bei der Sie Kapitalvermögen angelegt haben. Für minderjährige Kinder mit eigenen Einnahmen aus Kapitalvermögen füllen Sie ebenfalls einen gesonderten Antragsvordruck aus.

Wie viel die NV-Bescheinigung kostet

Das Beantragen einer oder mehrerer NV-Bescheinigungen ist kostenlos. Die Banken dürfen keine Gebühren für die Bearbeitung verlangen.

Bis wann Sie Ihren NV-Antrag stellen müssen

Beantragen Sie die NV-Bescheinigung rechtzeitig, also bevor Sie Ihre Kapitalerträge erhalten.

Wird die NV-Bescheinigung rückwirkend angewendet?

Die NV-Bescheinigung gilt zwar für das gesamte Kalenderjahr. Aber die Kreditinstitute müssen sie erst dann beachten, wenn sie ihnen vorliegt (§ 44a Abs. 2 Nr. 2 EStG). Die meisten Banken sind kulant: Wenn Sie die Bescheinigung erst im Lauf eines Jahres abgeben, akzeptieren diese Banken sie rückwirkend und erstatten die bisher angefallene und ans Finanzamt abgeführte Kapitalertragsteuer.

Wie lange gilt die NV-Bescheinigung?

Eine NV-Bescheinigung vom Finanzamt gilt für 3 Jahre, aber höchstens so lange, wie Sie die Voraussetzungen erfüllen. Also so lange, wie Ihre Gesamteinkünfte unter dem Grundfreibetrag bleiben. Fällt diese Voraussetzung im Lauf des Jahres weg oder ist ihr Wegfall absehbar, müssen Sie die Bescheinigung von der Bank zurückverlangen und ans Finanzamt zurückschicken. Andernfalls riskieren Sie den Vorwurf der Steuerhinterziehung.

NV-Bescheinigung sofort zurückgeben, wenn die Voraussetzungen wegfallen

Sie müssen Ihre Nichtveranlagungsbescheinigung(en) zurückgeben, wenn das Finanzamt Sie dazu auffordert oder wenn Sie im Lauf eines Jahres erkennen, dass die Voraussetzungen für ihre Erteilung wegfallen werden. Konkret, wenn Sie merken, dass Ihre Einkünfte in einem Jahr den Grundfreibetrag übersteigen (werden) und Sie damit einkommensteuerpflichtig werden. Sonst machen Sie sich einer Steuerhinterziehung schuldig.

Schummeln lohnt sich nicht!

Seit 2013 sind die Banken verpflichtet, alle Kapitalerträge, bei denen aufgrund einer bestehenden NV-Bescheinigung keine Abgeltungsteuer abgeführt wurde, dem Bundeszentralamt für Steuern zu melden. Wer eine Bescheinigung abgibt, obwohl er Einkünfte über dem Grundfreibetrag erzielt, fällt so auf und erhält Post von seinem Finanzamt.

Welche Nachteile hat die NV-Bescheinigung?

Einziger Nachteil der NV-Bescheinigung: Sie müssen Ihre Jahreseinnahmen stets im Blick behalten. Übersteigen Ihre Einkünfte den Grundfreibetrag oder ist dies absehbar, müssen Sie die abgegebenen Bescheinigungen umgehend von den Banken zurückfordern und ans Finanzamt zurückschicken, siehe oben. Da die NV-Bescheinigungen 3 Jahre lang gelten, besteht die Gefahr, diese Pflicht aus den Augen zu verlieren und Ärger mit dem Finanzamt zu bekommen.